Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
Finde ich es ungerecht und unverschämt? Ja. Fühle ich mich persönlich geschmäht? Nein. Aber natürlich nur, weil ich ihn nicht liebe, nicht mal mag oder aufregend finde.
Ein Impuls war, hinzugehen und besonders demonstrativ und vielsagend Hallo zu sagen. Doch was sollte das? Ich wollte gar nicht, dass er mich sah.
Heide, die Bekannte, hatte meinen Blick verfolgt, und ich erklärte ihr in knappen Worten mein geheimes Leben als Online-Daterin. Sie war verblüfft und meinte: »Dass du so was machst! Hätte ich jetzt nicht gedacht.«
Ja, die Welt ist voller Überraschungen, und ich bin die Frau mit den tausend Gesichtern, froh, Norbert abgewiesen zu haben.
Später sitze ich in der S-Bahn und gucke mir so die Männer und Frauen um mich herum an. Studenten, Rentner, Werktätige, Prolls, hübsche Mädchen, nette Omas.
Ob die auch Online-Dating machen?, frage ich mich. Vielleicht haben sie das gleiche Geheimnis wie ich und denken dasselbe, wenn sie mich angucken.
Aber sehe ich wie eine Frau aus, die auf »Herren suchen Einzeldame für das Besondere - in fester Verbindung« antwortet? Oder auf: »Bei mir gehen die Philosophen auch nicht ein und aus und lassen ihre Sprüche liegen. Abends will ich meine Ruhe haben. Du auch?« Und so habe ich wieder einen meiner »altmodischen« Anfälle und schliddere
zurück in meine mir vertraute Realität und meinen Lebenstil.
Ich will keinen Mann übers Internet kennenlernen, denke ich. Ich glaube an die Macht der Zufälle - oder wie manche gerne sagen: »Es gibt keine Zufälle.«
Aber ich habe die Rechnung ohne das Internet gemacht. Und mich selber in meiner Standfestigkeit nicht ganz richtig eingeschätzt. Ich merke nämlich, dass ich mich an meine täglichen Mails so sehr gewöhnt habe wie ein Junkie an seine Spritze. Kurz, ich bin mailsüchtig geworden.
Davor hatte mich schon eine Freundin gewarnt, die sich jeden Abend bis spät nachts online festquasselte und sich dabei ertappte, dass sie von einer generellen Unruhe erfasst war, alle zehn Minuten zum Computer rannte, um die Mails zu checken. Warum? Was war die Erwartung? Dass ein Wunder geschieht? Der Computer als Apparat für Wunscherfüllung und Spannung.
Wenn man mit anderen Datern über seine Erfahrungen spricht, dann ist das wie ein Treffen der Anonymen Alkoholiker oder einer anderen Suchttherapie, bei dem man seine Erfahrungen austauscht und ein Geständnis macht: »Hallo, ich bin Isabella und ich bin eine Online-Daterin.«
Der Fluch des Dialekts
Nur weil man immer online guckt , heißt das längst nicht, dass es im Internet eine aufregendere Parallelwelt gibt als im echten Leben. Vielmehr geht es dort nach wie vor sturzbürgerlich und normal zu.
Da schreibt mir ein Lehrer aus Sachsen-Anhalt, der in mir eine interessante Partie sieht, auch wenn er selber humorig zugibt, helle Windjacken zu tragen und Opern zu mögen, was ich in meinem Selbstporträt verdammt hatte. Netterweise versichert er mir, dass er immer ehrlich, zufrieden und nicht nachtragend sei.
Ich will gäin Lähr’r, verdammt!
Das findet auch Sarah, allerdings nur teilweise: »Also, Lehrer und Deutschlands ärmstes Bundesland, das sind leider schon mal zwei Minuspunkte, obwohl die Ossis ja besser im Bett sein sollen als wir. Hab doch ein Herz für den Underdog und gib ihm eine Chance!«
Absolut nicht!
Online-Dating ist ein bisschen wie Heimatkunde. Man lernt sein in weiten Teilen unbekanntes Vaterland ein wenig besser kennen mit all den verschiedenen Mundarten, von denen man immer vergisst, wie sehr man sie nicht ausstehen kann!
Kölsch ist o.k., schwäbisch mag ich nit schwätze höre, hessisch ned babbele, bayrisch? Jo mei! Balinerisch mit all dem icke, watt denn, weeßte - det jefällt ma nich.
Manche Vorurteile lassen sich schwerlich überwinden, lieber Rudi aus Dräsdn! Und das ist nur die Sprache. Für uns arrogante Big-City-Leute, die außer Berlin, Hamburg und München nichts wirklich gut kennen, sind so exotische Reisen in unbekannte Gebiete wie Schwalm-Eder, Groß-Gerau, Diepholz und Worms mit einem Planetenwechsel gleichzusetzen. Man möchte dort nicht hin. Es sei denn, jemand hat ein Schlösschen an einem Privatsee mit Schwänen zu bieten …
Mir fiel auf, dass es laut Elite die meisten Männer auf der Suche nach Frauen in meinem Alter in sogenannten anständigen, sprich akademischen, Berufen scheinbar in Bayern gibt. Und ich habe irgendwie ein Problem mit Bayern. Entschuldigung, liebe Bayern.
Nur ein winzig kleines,
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