Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
denn natürlich ist es lächerlich, nur weil man an Dackel, Uschi Glas, Lodenmäntel, Nazis, Lederhosen und Jägerhütchen denkt, von dem schrecklichen Dialekt ganz zu schweigen, keinen wirklichen Zugang zu einer anderen Welt zu haben. Es ist ein albernes Vorurteil und ein Klischee, aber Klischees stimmen nun mal auch.
Ich bin erst durch einen sehr langen Auslandsaufenthalt lokalpatriotisch geworden. Und als Hamburgerin ist man eben nordisch von Natur aus.
Bildungsdünkel und Schönheitswahn
»Dahinter steckt immer ein kluger Kopf« ist ein klassischer Werbespruch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung . Und auch Partnerschaftsagenturen schmücken sich gern mit Akademikern aus allen Bereichen.
So findet man zwischen all den Arbeitern, Angestellten und Selbstständigen auch Herren mit Titeln und dem sogenannten Niveau, manche können das Wort sogar richtig schreiben.
Ich habe wirklich nichts gegen Akademiker. Im Gegenteil, niemand möchte sich von einem Gärtner an der Bandscheibe operieren oder von einem Barkeeper vor Gericht vertreten lassen. Leider haben jedoch viele Akademiker eine Ausstrahlung, die man schlichtweg als unsexy bezeichnen könnte. Aber als unerschrockene Daterin will ich mich der gebildeten Mittel- und Oberschicht nicht verschließen. Deshalb gab es mit einigen ihrer Mitglieder ein paar Mails und Unterhaltungen, die allerdings zu nichts führten.
Ich weiß nicht, ob sich bei mir die nicht besonders gute und aufmüpfige Schülerin ohne Abitur je aus meinem Innenleben verabschiedet hat und das der Grund für meine schwelenden Zweifel an der Überlegenheit der titeltragenden Gebildeten ist.
Jedenfalls gibt es da den etwas schlüpfrigen älteren Professor, der eine »gehorsame Schülerin« sucht, sehr viele Diplomingenieure, einen recht fröhlichen, aber verheirateten
Kinderarzt mit einem Trinkproblem und einen schiefzahnigen Dentisten. Was mich nicht verwundert, denn damit verhält es sich genauso wie mit schlecht angezogenen Stylisten und dicken Diätberatern.
Genauso wenig verwundert es, dass recht viele Psychotherapeuten weibliche Opfer suchen, die sie in ihren eigenen vier Wänden endlich mal auf ihrer Privatcouch quälen und therapieren können. Ein Psychiater namens Arthur , »warm und verständnisvoll«, möchte sehr gern »mit einer kultivierten Partnerin den Rausch leidenschaftlicher Liebe neu erleben«. Das kann eine feine Sache sein, die sicherlich wenige Kritiker finden wird. Nur bin ich nicht dazu bereit, was vielleicht auch mit seinem stark gefärbten Bart zu tun hat. Sofort erkennt er in mir sehr richtig eine Frau mit Beziehungsproblemen.
Sollte das mein Ende mit den ungeliebten Akademikern sein?
Keineswegs. Denn als sich ein Chirurg aus Schwaben bei mir meldet, bin ich interessiert. Nicht weil ich auf Dr. House oder diesen anderen Hübschling aus Grey’s Anatomy hoffe, aber irgendwie kann ich mich nicht davon freimachen, dass Ärzte gute Partien und Götter in Weiß sind. Und jetzt, da ich älter bin, kann es doch nur schön sein, einen Doktor im Haus und im Bett zu haben.
Er ist sechzig Jahre alt, geschieden, mit einer erwachsenen Tochter in der Werbebranche. Ich finde, Gerd sieht gut aus, wenig Haar, blondgrau, kluge Augen, schlank und einen Meter achtzig groß.
Wir mailen uns ein paarmal, und ich mache einen Scherz über meine uralte Blinddarmnarbe, die heutzutage sehr viel winziger ausgefallen wäre. Da erst kommt heraus, dass er Schönheitschirurg ist.
Das setzt in mir meine lustige Seite frei, die schuld daran ist, dass ich viele Lachfältchen habe, die bestimmt vor den Augen vieler Schönheitschirurgen (man nennt sie ja auch plastische Chirurgen, obwohl mir immer »Plastikchirurgen« rausrutscht) wenig Gnade finden würden.
Ich mache Referenzen zu Herrn Frankensteins Testlabor, die Sängerin Cher und all die operierten und gestrafften Hollywood-Celebrities. Er weiß nicht, wer Cher ist!
Dann telefonieren wir. Ich hatte befürchtet, dass er schwäbeln würde, aber er stammt aus Niedersachsen und spricht reines Hochdeutsch. Eigentlich haben wir nicht wahnsinnig viel gemeinsam bis auf das übliche »Gut-essen-gehen« (will jemand schlecht essen gehen?) und dem Interesse an Kultur, Architektur und so weiter.
Er kraxelt gern, ich war noch nie auf einem Berg. Er liebt Skifahren, ich hatte noch nie solche Bretter auch nur probeweise unter den Füßen. Ich liebe Chardonnay, er Riesling, und, last but not least , er liebte damals Paul und ich John. Aber er ist lustig und
Weitere Kostenlose Bücher