Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
Einstellung zur eigenen Selbstsicherheit.
Beide Frauen sind keine Modesklavinnen. Meryls Geschmack ist manchmal etwas hausbacken, rüschig und ungünstig, wie die Oscar-Verleihungen zeigen, aber alles in allem ist sie schlicht angezogen. Ihr wunderbares Gesicht, voll mit Humor und Wärme, ihre weiblichen Formen und völliges
Fehlen von Eitelkeit lassen einen sowieso falsche Rüschen vergessen. Charlotte hat mehr Stil. Sie ist die etwas strenge Minimalistin mit einem Jungskörper, da geht so was. Bei ihr ist es die klassische Uniform - schwarze Anzüge, weißes Hemd, flache Schuhe. Schluss.
Großes Gähnen mit dem Bildungsbürgertum
Ich habe neuen Mut gefasst und maile Sarah recht enthusiastisch: »Ich habe einen sehr smarten Literaturwissenschaftler an der Leine. Treffe mich übermorgen mit ihm. Gleiches Alter. Interessantes Gesicht.«
Sie antwortet mit einer kritischen Betrachtung: »An der Uni sahen die Geistes- und Literaturwissenschaftler immer ein bisschen zerzaust aus, die Juristen und Betriebswirte waren attraktiver.«
Das mag ja sein, aber Günther und ich hatten wirklich einen sehr spritzigen und intelligenten Mail-Wechsel bisher, der richtig Spaß bringt. Literatur, Geschichten aus Boston, wo er studierte, das Leben selbst - er weiß die Worte zu setzen. Das gefällt mir, denn irgendwann hatte ich auch einmal die Fantasie, dass sich jemand nur in meine Worte verliebt, also auch in mein wirkliches Wesen, dem ich durch meine seelenvollen, wunderschönen Gedanken Leben einhauche. So wie der großnasige Cyrano de Bergerac und all die romantischen, häufig eher hässlichen Helden, die die Frauen mit der puren Schönheit ihres Geistes blenden und so das Herz der Geliebten gewinnen konnten.
Aber wenn es einen Ort gibt, wo es Leuten ziemlich wurscht ist, wie kunstvoll man die Worte zu setzen weiß, dann sicherlich das Internet.
Günther hat jedenfalls einen riesigen Bonus, und ich bin erpicht darauf, ihn zu treffen. Zwar fällt der Stimmtest nur mittelmäßig aus - er hat ein etwas japsiges Lachen -, aber die Hoffnung stirbt zuletzt, wie mir Karen zum hundertsten Mal bestätigt.
Oh, wie recht hat Sarah. Der Mann, der ins Restaurant geschlurft kommt, ist ein knitteriger, freundlicher und schlecht angezogener Herr mit Brille und Platte, der im Halbprofil eine unglückselige Ähnlichkeit mit dem ältlichen Adolf Eichmann bei seinem Prozess hat.
Günther sah auf dem Foto ziemlich gut aus. Vielleicht lag es an der Baseballmütze, die - so albern solche Mützen oft wirken - tatsächlich eine gewisse Jugendlichkeit vermittelte. Und sie verdeckte fehlendes Haar.
Ich glaube, Günther sieht sich als recht flotten, überlegenen Intellektuellen, weil er auf der körperlich-sinnlichen Ebene nichts offensichtlich Markantes zu bieten hat.
Eigentlich mag ich Intellektuelle sehr, obwohl sie ja sonst bei Frauen zu den weniger begehrten Exemplaren gehören. Geist wird mit Kompensation und Asexualität assoziiert (bei Männern und Frauen). Nach dem Motto, wenn der Körper und die sexuelle Ausstrahlung nicht reichen, dann müssen die guten alten Gehirnzellen aktiviert werden, um den vermeintlichen Makel zu überbrücken. Damit zumindest irgendein Körperteil beschäftigt ist. Sehr ungerecht, denn es gibt nichts Feineres als supersmarte Frauen und Männer. Keiner wird Einstein für ein sinnliches Sexsymbol halten, aber er war ein Frauenheld, denn Schlauheit und Charme sind eine sehr attraktive Kombination.
Ich selber mochte witzige Schlauberger und Brillenträger immer sehr gern. Als ich Teenager war, gab es einige
Jungs mit schwarzen Rollkragenpullies und schwarz umrandeten Brillen, die Jazz hörten, philosophische Bücher unterm Arm trugen und existenzialistisch daherredeten. Ich war sehr beeindruckt. Später machte dann John Lennon nicht nur Rockmusik, sondern Intelligenz und runde Brillen aufregend.
Die Goldrandbrille über dem älteren Auge, das etwas an Strahlkraft eingebüßt hat, wirkt natürlich nicht mehr besonders stimulierend. Und so wie Günther mich jetzt bei einem Glas »anständigem« Wein anguckt, während er die zehn Finger zu der klassischen Pyramide der Denker formt, ist er mehr Professor Pieselstein als Hans Herzensbrecher.
Er schmeichelt mir geschickt: »Eine Frau wie du wird sicherlich bestürmt …«
Oh ja, denke ich, von morgens bis abends. Von werner und jochen, nordmann und superheld , hajo56 und bierbauch101 , von geilen Siebenundzwanzigjährigen und verheirateten Schreibtischtätern, von
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