Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
grauen Haaren erkannte, der den Ex-Ehemann der Heldin spielte. Eine Nebenrolle. Es war meine alte Flamme.
Ich musste sehr lachen. Er und ich - das kam mir jetzt sehr fremd vor. Aber das Gefühl damals, in genau dem Moment, das war echt gewesen. So echt wie mein Herzflattern, als ich Philipp gesehen hatte.
Aber ist es wirklich Liebe, nach der wir suchen? Oder ist diese Suche nicht doch vielleicht nur eine Form des sich Vergewisserns, dass wir nicht allein sind?
Im Partner sucht man vornehmlich sich selbst, behaupte ich. Die Sehnsucht nach Spiegelung und Akzeptanz ist so groß und auch das Mysterium der eigenen Existenz so überwältigend ungelöst, dass wir uns durch die Präsenz eines anderen sicherer und dem Geheimnis des Ichs näher fühlen.
Also sind wir alle nur eine emotionsgebundene Bande von Neurotikern, die hilf- und ahnungslos durchs Leben stolpern? Ich finde ja. Meistens. Und ich finde das spannend, wenn auch schmerzlich und sehr anstrengend.
Die Art, wie sich Begehren, Liebe und Fantasie mit der Realität arrangieren, ist faszinierend, denn sie scheint selbst den eindeutig zum Scheitern verurteilten Szenarien den Glanz der Hoffnung zu verleihen.
Als ich sechsundzwanzig war, lebte ich mit einem charismatischen, aber sehr schwierigen Musiker, den man heute bestimmt bipolar nennen würde. Die Beziehung war sehr kompliziert, leidenschaftlich und hochexplosiv, denn ich verwechselte wilden Streit mit eindeutigen Liebesbeweisen. Wir trennten uns nach zwei Jahren, aber die Liebe war nicht
ganz erloschen. Wir landeten immer wieder mal im Bett, dann gab es Zank, und wir rasten erneut verletzt und empört in entgegengesetzte Richtungen. Der Schlussstrich musste viel entschiedener gezogen werden, fand ich und beendete jeden Kontakt.
Ein halbes Jahr später hörte ich, dass er für unbestimmte Zeit nach Mexiko gereist sei, und in mir wallte plötzlich eine solche Sehnsucht nach ihm und einer - ziemlich absurden - zweiten Chance für unsere Liebe auf, dass es mir den Atem verschlug.
Ich fand seine Anschrift heraus, schrieb ihm einen zehnseitigen, sehr herzzerreißenden Brief, der genauso gefühlsduselig beantwortet wurde, und reiste zur romantischen Wiedervereinigung nach Mexiko.
Kurz gesagt, das Wiedersehen war wunderbar und intensiv, der Frieden hielt drei Tage, aber wir reisten noch drei Wochen in dem sehr schönen und abenteuerlichen Land umher, in denen ich ihn täglich zum Teufel wünschte und bitter enttäuscht war, dass ich wieder auf den absurden Glauben an die Möglichkeit charakterlicher Änderungen hereingefallen war. Und auf die Vorstellung, dass die Liebe wiederbelebt werden kann wie ein Unfallopfer - weil sie alles übersteht und im gloriosen Finale siegt.
Wir haben eben alle unsere gerahmten Bilder von Liebe und ihrer Position im Leben im Kopf: als Erfüllung, Ergänzung, Ziel, Ausrede, Entschuldigung und Ausweg.
Der Weg zum Glück ist steinig
Ich sehe Liebe dieser Tage als Rarität . Selbst Aufregung ist schwerer zu finden als Stöckelschuhe mit nur fünf Zentimeter hohen Absätzen. Trotzdem mache ich weiter im Spiel mit Männerbekanntschaften.
Die Anmache ist freundlich, wenn auch nicht aufregend: »Dein Profil gefällt mir sehr, ich würde dich gern kennenlernen.«
Das Foto zeigt vier mittelalte Männer, die Jazz spielen. Einer davon, der große Schlanke mit dem Schnauz, ist Hans-Dieter. Der spielt freitags um einundzwanzig Uhr immer in einer Amateur-Dixieland-Band draußen bei Sasel Klarinette.
Ich hasse diesen fröhlichen Altherrenjazz, wie er schon in den frühen Sechzigerjahren von weißen Männern nachgespielt wurde und der nichts mit den amerikanischen Originalen zu tun hat. Ich sage nur: Chris Barber und Songs wie Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen.
Und doch antworte ich Hans-Dieter, denn generell liebe ich Musiker, und Klarinette ist ein schönes Instrument, das geschickte Lippen braucht. (Oh, muss ich denn immer alles sexualisieren!)
Ich glänze per Mail etwas mit meinen Jazzkenntnissen, denn ich war schon in meinen Teenagerjahren Jazzfan gewesen - John Coltrane, Miles Davis, Billie Holiday und so.
Er ist beeindruckt und lädt mich zu einem Jazz-Brunch am Sonntag ein. Ich will es mir überlegen.
Warum nicht?
Gerade mit Musikveranstaltungen habe ich sehr schöne Überraschungen erlebt, wenn ich mich mal etwas anderem ausgesetzt habe als sonst. Auf diesem Wege habe ich afrikanische Bands, russische Frauenchöre und lettische Volkslieder entdeckt.
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