Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
und? Vielleicht später.
Wahrnehmungsstörungen
Leider hat mich Toni mit ins Kino genommen , um den besonders dürftigen Dating-Film Er steht einfach nicht auf Dich anzusehen. Diese jungen Frauen haben im Film und im Leben scheinbar immer Probleme mit dem schwer einzuschätzenden romantischen Interesse an ihnen. Sie glauben, er ist spitz wie Nachbars Lumpi, und warten auf seinen Anruf, der nicht kommt, während er nicht versteht, warum man reine Höflichkeit und den Satz »Ich melde mich« als Versprechen interpretieren kann. Hinterher bin ich ziemlich irritiert, denn mir kommt das irgendwie bekannt vor. Sollte ich etwa auch ab und zu derlei peinliche Blackouts und Wahrnehmungshemmungen in meinem Leben gehabt haben?
Ich erinnere mich noch an einen sehr aufregenden Abend mit einem Kameramann letztes Jahr, der überraschend in einer Kussorgie endete. Er musste aber noch am selben Abend nach München fliegen, und die Zeitbegrenzung dämmte ein klein wenig die Lust am Programm, auf das ich mich eigentlich gefreut hatte. Danach meldete er sich nicht mehr, das muss man sich mal vorstellen! Hatte ich irgendwas falsch verstanden? Was sollten die sexy Anmache und leidenschaftlichen Küsse? Ein weiterer Hinweis darauf, dass Männer und Frauen anscheinend wirklich nicht die gleiche Sprache sprechen …
Und schon war ich am Telefon mit Freundinnen und der Art empörter Unterhaltung, die meist mit folgendem Satz anfing: »Also, du glaubst nicht, was passiert ist …« Ich war so wütend und ratlos wie vor zehn, zwanzig, vierzig Jahren in der gleichen Situation.
Und jetzt stelle ich fest: Irgendwie funktioniert das im Internet natürlich auch nicht anders als im richtigen Leben. Er ruft nicht an, wann er es verspricht, er macht leere Versprechungen. Er erfindet Ausreden.
Die ultimative Beleidigung: Er tilgt dich von seiner Favoritenliste, einfach so, mit einem Klick. Futsch bist du, eine Erinnerung, ein Onlineporträt, ein Chatroomflirt, ein blinkender Briefumschlag im Dating-Café.
Du selber darfst das natürlich auch machen, und das ist natürlich sehr angenehm! Zack, sofort wird er bestraft und gelöscht.
Gäbe es doch eine Taste, die die lebendigen Deppen in Miniaturen verwandeln würde und in hohem Bogen durch die Internetsphäre katapultierte!
Und wer pflegt Opa?
Aber auch weniger dramatische Geschehnisse als die Tilgung aus der Datingliste eines mir unbekannten Mannes erinnern mich stets daran, dass die Sitten und Gebräuche der Männer uns Frauen rätselhaft sind.
Als ich kurz über die langweilige Parship-Seite surfe, lese ich von Paul, einem Projektleiter, der mir gefällt. (Was auch immer das für ein Beruf ist, er kommt sehr oft vor.) Er stellt sich nicht als nobler, einfühlsamer, bescheidener, selbstloser Frauenversteher vor, sondern scheint ein wortgewandter und humoriger Realist von neunundfünfzig zu sein. Statt seines Fotos hat er das Konterfei einer clownsartigen Comicstripfigur ins Netz gestellt.
Ich maile ihm: »Hallo Mr. Projektleiter, mir gefällt dein Foto! Entweder siehst du so sensationell gut aus, dass du die Frauen damit nicht sofort verunsichern willst, oder das ist ganz einfach ein Foto von dir. In diesem Fall möchte ich dich gern zum Eisessen treffen, weil ich dann meine Minnie-Maus-Maske aufsetzen kann.«
Doch dann mailt er zurück und fragt, ob ich die Geliebte vom genialen Autobauer Borgward sei. Dann versichert er, dass es absolut kein Foto von ihm gewesen sei (ach, wirklich?) und er auch nicht sensationell gut aussehen würde, sondern einfach kein aktuelles hätte. Beruflich habe er etwas mit Computern zu tun und wolle noch gern sagen, wie gut ich aussehe.
Ich antworte: »Ja, die Isabella ist nach mir gebaut worden - genau meine Formen. Erinnere mich als Kind, dass sehr schicke Damen das Auto fuhren … mag tatsächlich Vintage-Autos sehr gern. Wie wär’s mit einem Telefonat?«
Er antworte: »Sehr gern«, und gibt mir eine Handynummer. Ich rufe noch am selben Tag an, er antwortet mit einer sehr angenehmen, aber matten Stimme. Im Hintergrund sind viele Geräusche zu hören. Er sei im Krankenhaus, erklärt er, und könne nicht offen sprechen.
»O.k., mal was anderes«, denke ich und verspreche, wieder zu mailen. Was ich auch tue.
Er schreibt etwas von »sexy Stimme« und »interessant«, aber dabei bleibt es.
Ich antworte, da so konventionelle Sätze fehlen würden wie »Vielleicht können wir uns mal treffen«, würde ich annehmen, er sei zu krank für weiteres
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