Sexy, süß und namenlos
tun, wenn du nicht willst, dass meine Mom Sammy großzieht.“
Hailey hatte eine Gänsehaut bekommen. „Es ist sowieso ein Wunder, dass er sich so gut entwickelt hat“, hatte sie erwidert und aus Mary Jos Apartment auf die Stelle geschaut, an der ihr Auto hätte stehen müssen. Doch es war fort.
Ihre Cousine legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. „Das hat Sammy nur dir zu verdanken. Du hast dafür gesorgt, dass er viel Liebe bekommt, Freunde und Interessen hat und ein gesundes Selbstbewusstsein besitzt.“
„Es fiel mir so schwer, ihn zu verlassen.“
„Ihr werdet nicht lange getrennt sein. Wenn ich das Geld hätte, würde ich es dir, ohne zu zögern, geben. Buck meint, er steht kurz vor dem großen Erfolg. Vielleicht kann ich ihn überzeugen …“
Hailey versteifte sich. „Ich würde sein Geld nicht nehmen.“
Mary Jo ließ die Hand sinken. „Dann musst du dieses Angebot annehmen. Ein Abend kann deine gesamte Zukunft sichern.“
Unglücklicherweise hatte Mary Jo recht gehabt. Ihr, Hailey, blieb keine andere Wahl. Vor zwei Tagen hatte sie sich endgültig von der Bevormundung durch ihre Tante befreit, um ein neues Leben anzufangen. Dazu hatte sie ihr ganzes restliches Geld abgehoben – das Sparguthaben von fünfzehnhundert Dollar, an das Gracie nicht herankonnte. Einen Tag später wurde Hailey überfallen. Bewaffnete Teenager stahlen ihren Wagen, ihr Bargeld und ihre Kostüme. Ihr war nichts außer den Kleidern geblieben, die sie am Leib trug, und den fünfzig Dollar, die sie für Notfälle in ihrem BH versteckt hatte.
In jenen entsetzlichen Sekunden zerbrach ihr lebenslanger Traum von Unabhängigkeit und Normalität für sich und ihren Bruder. Zumindest rückte er erst einmal wieder in unerreichbare Ferne. Sicher, sie war mit dem Leben davongekommen. Doch was für ein Leben würde das sein?
Wenn sie bis Montag nicht wenigstens fünfhundert Dollar verdient hatte, würde sie auch die viertausend Dollar Anzahlung für ihr Studio verlieren, die sie einen Monat zuvor geleistet hatte. Und damit wäre ihre Karriere als Tanztherapeutin beendet, noch ehe sie ihre erste Visitenkarte drucken konnte.
Das Schlimmste aber war, dass sie ihren Bruder nicht mehr unterstützen konnte, wenn er ihre Tante verlassen hatte. Er hatte ihr knapp einen Monat Zeit gegeben, um beruflich Fuß zu fassen. Dann wollte er ihr folgen. Mit seinen sechzehn Jahren und seiner Sensibilität war Sammy nicht dafür geschaffen, sich auf der Straße durchzuschlagen. Er war ein naturwissenschaftlich begabter Junge, der sich um die Schule und seine Zukunft kümmern sollte, und nicht darum, wo er die nächste Mahlzeit herbekam.
Nun, Hailey hatte Hilfe gebraucht, und Mary Jo hatte sie ihr auf die einzige Art angeboten, die sie kannte. Da sie selbst mit achtzehn von zu Hause weggegangen war, konnte sie sich gut in Hailey hineinversetzen. Mary Jo hatte sich über Wasser gehalten, indem sie jeden Job annahm, den sie bekommen konnte. Da das Strippen Mary Jo vor der Obdachlosigkeit bewahrt hatte, legte Hailey ihre Vorurteile ab. Frauen in verzweifelten Situationen taten nun einmal verzweifelte Dinge.
Obwohl sie in den letzten zehn Jahren voneinander getrennt gewesen waren, hatte Mary Jo ihre Cousine aufgenommen, ihr einen Job als Stripperin beschafft und ihr für die Zeit, in der sie selbst mit ihrem Freund Buck unterwegs war, ihre Wohnung überlassen. Für den Auftritt in Citrus Hill hatte sie sogar einen höheren Preis als üblich ausgehandelt, weil die Aufführung speziell auf den Kunden zugeschnitten war. Mary Jo hatte zwar kein Geld, aber sie hatte ein großes Herz.
Und einen hohen Preis. Bei fünfhundert Dollar pro Auftritt plus fünfzig Dollar Fahrtkosten, um aus Tampa herauszukommen, hätte Mary Jo mehr Ersparnisse haben müssen, als Tante Gracie sich von Haileys Tanzwettbewerbsgewinnen ungerechterweise angeeignet hatte. Doch Hailey vermutete, dass Mary Jo ihrem Freund Buck nicht nur eine Jacke aus Wildlederimitat und ein penetrant riechendes Eau de Toilette geschenkt hatte, sondern für seinen Lebensunterhalt aufkam.
Auf jeden Fall würde er Hailey nicht länger in der Wohnung dulden. Selbst wenn sie in einem winzigen Slip herumtänzeln musste, in einem Punkt würde Hailey nicht so enden wie Mary Jo – sie würde ihr Selbstwertgefühl nicht von einem Mann abhängig machen. Wie unsinnig das war, hatte sie durch Paul gelernt. Sie war so jung gewesen, knapp sechzehn, als sie sich kennenlernten. Er wurde ihr Tanzpartner, ihr
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