SGK232 - Feuerhexen über New York
sie die ruhige,
angenehme Stimme. »Du wirst sie nur voll erfassen und selbst betreiben können,
wenn du zu uns gehörst. Zum dritten Mal bist du heute da also kannst du dich
von uns nicht mehr trennen. Trink, Janet Sherman !«
Da nahm auch sie den Giftbecher und führte ihn an die Lippen, als
handele es sich um die größte Selbstverständlichkeit in der Welt.
Janet trank das Gift und spürte, wie die Flüssigkeit scharf und
unangenehm ihre Kehle hinabrann. Sie konnte fast den Weg bis zum Magen
verfolgen.
Im nächsten Moment breiteten sich die Schmerzen explosionsartig in
ihr aus, erfaßten den ganzen Körper und Janet hätte am liebsten laut geschrien.
Man hatte sie überlistet!
Man hatte sie vergiftet!
»Du brauchst keine Angst zu haben«, hörte sie wie aus weiter Ferne
die vertraute, ruhige Stimme. Die Gestalt vor ihr, der dunkle Vorhang, der
Altar, alles wirkte seltsam verzerrt, wie unwirklich.
Sie nahm einen leisen Singsang wahr und wurde sich im ersten
Moment nicht schlüssig darüber, woher er kam. Dann erst wurde ihr bewußt, daß
die anderen Anwesenden jenen geheimnisvollen Gesang anstimmten, der nur aus
Summlauten bestand und nicht ein einziges verständliches Wort enthielt.
Es war eine unheimlich eigenartige Melodie, die die Luft
durchsetzte und sich in den äußersten Winkel ihres Hirns einnistete.
»Nun. Janet Sherman. gehörst du zu uns. Ich. habe deinen Namen
genannt«, hörte sie das abgehackte Murmeln aus dem Mund der Frau, die ihr
gegenüberstand, und die sie wahrnahm wie durch einen dichten Nebelschleier, der
sich über ihre Augen gesenkt hatte. »Die Stunde ist gekommen, da auch du die
Macht des Feuers spüren und selbst bewirken kannst. Du bist, wie wir eine Hexe.
Nur bis jetzt hast du es noch nicht erkannt. Satan, unser Herr und Meister,
heißt dich willkommen in seinen Reihen. Du sollst sehen, was wir alle können,
was auch du nun vermagst, da du dich freiwillig zu ihm bekannt hast. Merke dir
eines, mein Kind: Wichtig ist, daß du das, was du tust, stets mit ganzem Herzen
und freiwillig tust. Anders ist es nicht möglich, eine Hexe zu sein frei wie
ein Vogel durch die Lüfte zu schweben, wie es alle Hexen in jeder Zeit tun
konnten. Ich zeige euch den Weg, ich zeige ihn auch dir .«
Mit diesen Worten streckte sie ihre rechte Hand aus und legte sie
gespreizt auf Janet Shermans Kopf. Die hatte das Gefühl, von einem
geheimnisvollen elektrischen Strom durchflossen zu werden. Eine unbekannte,
fiebrige Hitze erfüllte ihren ganzen Leib, daß sie meinte, von innen heraus zu
brennen.
»Auch du wirst von dieser Stunde an zu den Feuerhexen gehören und
wirst ihre Macht durch mich auskosten können. Janet wir heißen dich willkommen .«
Es war ein erhebendes, befreiendes Gefühl, und es schien, als
hätte sie jahrelang nur auf diesen einzigen Augenblick gewartet. Irgend etwas
war in ihr aufgebrochen, das sie selbst nie richtig geahnt noch gefühlt hatte.
In diesem Moment gab sie sich vollkommen in die Hände einer
anderen, wissend, daß die über ihr Leben und Sterben bestimmte, und trotzdem
empfand sie das nicht als Belastung. Es war alles in Ordnung so. sie war
seltsam betäubt, berauscht.
Janet Sherman kehrte an ihren Platz zurück, dann trat >Sie<
zur Seite, hob beide Arme und senkte sie langsam nach vorn, als wolle sie sich
gegen einen unsichtbaren Widerstand abstützen.
»Und nun, Vorhang öffne dich«, murmelte die namenlose Priesterin,
und der Vorhang gehorchte ihrem Willen.
Langsam und lautlos schob er sich von der Mitte her auseinander,
und all die Augen, die matt und verklärt, abwesend und fiebrig nach vorn
gerichtet waren, hatten einen direkten Blick in die Hölle.
*
Das Restaurant hatte einen besonderen Ruf, und so war es nicht
verwunderlich, daß Leute, die gern gut aßen und tranken, immer wieder hierher kamen und das Lokal
weiterempfahlen.
Das >Glendon's-T-Bone-Steak-House< existierte erst seit zwei
Jahren.
In der jüngeren Vergangenheit hatten weder Larry Brent, Iwan
Kunaritschew noch Morna Ulbrandson Gelegenheit, während ihrer kurzfristigen
Aufenthalte in New York sich ein Glendon's T-bone-Steak einzuverleiben. Doch
von ihren Kollegen, die dazu imstande gewesen waren, wußten sie, daß es sich
hierbei um einen wahren lukullischen Genuß handelte.
In dieser Woche nun, da sich das seltene Zusammentreffen ergab,
daß Iwan, Morna und Larry in New York weilten und dies länger als
achtundvierzig Stunden -, wollten sie das Versäumte nachholen.
Die Freunde
Weitere Kostenlose Bücher