SGK252 - Das Dorf der Wahnsinnigen
gern mit ihm wegen des Vorfalls in der Seneca-Street noch mal
unterhalten würde.
»Was wollen Sie ... jetzt noch ?« lallte Malone.
Dennoch drückte er auf den Türöffner, weil er
der Meinung war, daß ein Polizeibeamter nicht ohne Anliegen kam.
Wenig später befand sich Kunaritschew in der
gemeinsamen Wohnung von Clair Simpson und James Malone.
Der Liebhaber der Wahrsagerin hatte glasige
Augen und schwankte wie ein Schilfrohr im Wind.
Iwan versuchte mit geschickten Fragen noch
mal das ganze Geschehen von einer anderen Seite aufzurollen.
Es gelang ihm auch, Malone zum Sprechen zu
bringen. Doch das Ganze betraf eher das persönliche Verhältnis der beiden
Menschen untereinander, als daß es zur Aufklärung jenes rätselhaften Vorfalls
am Abend geführt hätte.
Ob Malone immer so viel trank oder ob er
heute den Alkohol als Betäubungsmittel benützte - ein solches Urteil wagte
Kunaritschew nicht zu fällen. Dazu kannte er den Mann zu wenig.
Malone bot seinem Gast einen Drink an.
Kunaritschew wies ihn nicht zurück ..
Er gab sich salopp, jovial und hoffte mit
dieser Masche weiter zu kommen.
Malones Zustand jedoch verhinderte dies.
Dem Gesprächspartner fielen manchmal die
Augen zu, und dann schnarchte er und war nur mit allergrößter Mühe wieder zu
wecken.
Kunaritschew gab es schließlich auf.
Malone war auf der Couch eingeschlafen. Auf
dem flachen Tisch daneben standen zwei leere Schnapsflaschen.
Der kurze Abstecher in der Wohnung hatte ihm
zumindest einen Eindruck vermittelt, wie die beiden lebten.
Alles war geschmackvoll gehalten, ohne
übertriebenen Luxus.
Auf die Frage, ob in Clair Simpsons Familie
schon mal ein ähnlicher Fall von geistiger Verwirrung aufgetreten war, hatte
Malone nur die Schultern gezuckt und gemeint, daß sie über solche Dinge noch
nicht mit ihm gesprochen hätte.
Sie wäre da sehr eigen. Vielleicht sei das Ganze
auch nur ein neuer Trick, eine Art Publicity, um den Namen Clair Simpson noch
mehr ins Bewußtsein der Menschen zu rücken.
X-RAY-7 verließ die Wohnung und fuhr den Weg
in die Prairie Ave zurück.
Als er aus dem Taxi stieg, warf er intuitiv
einen Blick in die neunte Etage. Dort war alles dunkel.
Er hatte es nicht anders erwartet.
Dennoch begab er sich wie abgesprochen zu der
Wohnung, um nachzusehen, ob dort noch alles unverändert war.
Dies sollte er so oft wiederholen, bis sich
sein Freund und Kollege Larry Brent nach dem Gespräch mit dem
Antiquitätenhändler Hollins, wieder bei ihm meldete .
Das Polizeisiegel klebte an der Tür. Larry
rechnete aus gutem Grund damit, daß jemand eine, scheinbar für ihn günstige
Gelegenheit nutzte, um möglicherweise noch mal in die Wohnung zu gelangen.
Wegen der Vasen natürlich ... um die ging es
in der Hauptsache.
Daß X-RAY-3 sich bis zur Stunde noch nicht
gemeldet hatte, hing wohl damit zusammen, daß er weitere Neuigkeiten im
Zusammenhang mit Rosalynn Randalls Verschwinden und dem Auftauchen der Vasen
nicht erfahren hatte.
Gerade das aber war in der Überlegung beider
Agenten ein entscheidender Faktor.
Es gab eine unbestreitbare Tatsache. Clair
Simpson, die in ihrem bisherigen Leben angeblich paranormale Fähigkeiten
vortäuschte, bot im entscheidenden Stadium einen Hinweis, der nur aufgrund
parapsychologischer Fähigkeiten möglich war.
Sie hatte in dieser Wohnung ein Unheil kommen
sehen, und sie war dabei gewesen, es zu verhindern. Mit dem Verhalten einer
Verrücktgewordenen aber nahm keiner sie ernst.
Der Russe schickte sich an, den Korridor
zurückzugehen, als er plötzlich stutzte.
Da war ein Geräusch!
Es kam aus der versiegelten Wohnung . . .
*
In der Dunkelheit von Rosalynn Randalls
Wohnung tat sich etwas.
In der Ecke, wo die beiden hüfthohen Vasen
standen, bewegte sich ein Schatten.
Zwei kräftige Arme reckten sich in die Höhe.
In der Dämmerung des Raumes schälten sich aus dem bauchigen, lehmfarbenen
Behälter die schemenhaft verwaschenen Umrisse einer menschlichen Gestalt.
Zwischen den Armen bildete sich der Körper,
der Kopf.
Es sah so aus, als würde die Gestalt aus der
Vase steigen, in die sie lange Zeit eingesperrt gewesen war.
Bei der Bewegung, die entstand, kam sie mit
der anderen Vase in Berührung.
Da gab es ein Geräusch, als ob jemand mit
einem trockenen Stab gegen einen ausgehöhlten Knochen schlug.
Von der Vase, die Rosalynn Randall im
Antiquitätengeschäft Warren Hollins’ gekauft hatte, war nichts mehr vorhanden.
Die ganze Substanz schien von dem
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