SGK252 - Das Dorf der Wahnsinnigen
Körper
aufgenommen worden zu sein, die sich aus ihr heraus entwickelt hatte.
Einige Sekunden stand der auf so seltsame
Weise geborene Mensch aufrecht und starr da, als wär er außerstande, seine
Glieder zu bewegen.
Seine Hautfarbe veränderte sich.
Das schmutzige, erdfarbene Braun wich einem
helleren Bronzeton. Schlohweißes Haar bedeckte den Schädel, und ein dichter,
weißer Bart rahmte das ovale Gesicht mit den dunklen, tiefliegenden Augen.
Der Mann trug ein Gewand, das in etwa die
Farbe seiner Haut hatte. Die breiten Arme waren mit dunkelbraunen Borten
umsäumt.
Er war - ein Druidenpriester und stammte
nicht aus dieser Zeit. Dennoch kam ihm die Umgebung, in der sein Körper neu
erstanden war, nicht fremd und erschreckend vor. Er fand sich darin zurecht.
Der Priester löste sich von seinem Standort.
Das Gewand raschelte bei jedem Schritt.
Er ging um die Sitzgruppe herum. Unter seinen
Sohlen zerbrachen einiger Glassplitter, die von dem
zerstörten Tisch noch auf dem Boden lagen.
Die Polizisten hatten in der Wohnung nichts
verändert.
Die Geräusche, die die geheimnisvolle Gestalt
im Wohnzimmer verursachte, wurden außerhalb der Tür von* Iwan Kunaritschew
wahrgenommen.
Der Russe zögerte keinen Augenblick, den
Dingen auf den Grund zu gehen.
Blitzschnell löste er das Siegel, dann warf
er sich mit einem gewaltigen Ruck gegen die zweifach verschlossene Tür.
Der eine Anlauf genügte.
Im Türfutter krachte und splitterte es. Die
Tür flog nach innen, das Schloß blieb im Rahmen hängen.
Die Gestalt in dem erdfarbenen Umhang stand
als Silhouette vor dem Fenster im Hintergrund.
Das schlohweiße Haar und der Bart leuchteten
aus der Finsternis.
Der Druidenpriester hatte mit diesem
Zwischenfall nicht gerechnet. Die Situation zwang ihn, umzudenken.
Und er handelte sofort.
Blitzschnell war er an der Tür und knallte sie
ins Schloß. Dann legte er von innen den Riegel davor.
Für Iwan Kunaritschew waren es vom Korridor
bis zur Wohnzimmertür noch vier Schritte mehr.
Er brauchte länger. Das kam dem
Druidenpriester zugute.
Da X-RAY-7 schon einen so großen Anlauf
hatte, bremste er ihn auch nicht vor der Wohnzimmertür.
Mit ganzer Körperkraft warf er sich dagegen.
Er knackte auch dieses Hindernis.
Durch seinen eigenen Schwung wurde er weit in
den Raum getragen.
Der PSA-Agent sah sofort, was sich während
der Sekunden, die er bis zum Eindringen ins Wohnzimmer brauchte, getan hatte.
Das Fenster stand weit offen. Der Raum war
leer.
Der geheimnisvolle Eindringling war durchs
Fenster entkommen . . .
Schon war auch Kunaritschew am Fenster und
starrte nach draußen.
Die neunte Etage war die oberste. Darüber
begann das Dach.
Iwan sah gerade noch den Schatten über sich
verschwinden.
Der andere war über den schmalen Sims auf das
Flachdach geklettert und konnte von dort aus die Nachbarhäuser erreichen, die
hier dicht beieinander standen.
Iwan stieg auf die Fensterbank.
Aus der Tiefe brandeten die Verkehrsgeräusche
zu ihm herauf. Die Autos und Busse, die durch die Prairie Ave fuhren, sahen aus
wie Spielzeuge, die von unsichtbaren Händen bewegt wurden. Winzig und verloren
wirkten auch die Menschen, die unterwegs waren.
Ein falscher Tritt genügte, um abzurutschen
und in der Tiefe das Genick zu brechen.
Der Sims war äußerst schmal, der Aufstieg
bedrohlich. Es war erstaunlich, daß der Fliehende die gefährliche Partie so
schnell geschafft hatte.
Kunaritschew setzte nach.
Er zog sich über den Flachdachrand und
erlebte sekundenlang das Gefühl von Todesangst, als er daran dachte, was jetzt
geschehen könne.
Wenn der Flüchtende oben in der Dunkelheit
stand und nur darauf wartete, daß X-RAY-7 ihm folgte, brauchte er nur auf seine
Hände zu treten und der Russe würde wie ein Stein in die Tiefe stürzen.
*
Doch das Gefürchtete traf nicht ein.
Iwan Kunaritschew zog sich in die Höhe,
rutschte auf das Dach und sah zwischen den Schornsteinen die Gestalt verschwinden.
Dann hatte er endlich wieder festen Boden
unter den Füßen.
»Stehenbleiben !« brüllte er dem Davoneilenden nach. »Bleiben Sie stehen - oder ich schieße !«
Wer war der geheimnisvolle Besucher von
Rosalynn Randalls Wohnung?
Was, vor allen Dingen, hatte er darin
gesucht?
In der Eile hatte Kunaritschew noch nicht die
Gelegenheit gehabt, das herauszufinden.
X-RAY-7 nahm seine Smith & Wesson Laser
aus der Halfter. Er entsicherte sie und schoß.
Der grelle Lichtstrahl jagte wie ein Blitz
über das Dach, auf den
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