SGK284 - Nacht im Horror-Hotel
Genuss einer Erbschaft gekommen waren. Bei der einen zeigte sich sehr schnell die
Nutzlosigkeit dieses Besuchs. Sie hatte einige Wiesen und Äcker und ein altes
Bauernhaus geerbt, aber kein Hotel. Sie sagte jedoch, dass es nicht ausgeschlossen sei, aus dem Bauernhaus eine Herberge zu machen.
Bis zur dritten Christine Louson waren es rund zweihundert Kilometer. Auf den
holprigen, zum Teil schlecht ausgebauten Straßen war ein schnelles
Vorwärtskommen nicht möglich. Claudine Solette rechnete mit etwa vier Stunden, ehe sie in Dinan sein konnte. In dieser
größeren Stadt war die dritte Christine Louson zu
Hause. Die Adresse war genau angegeben.
Dinan lag am anderen Ende der
Bretagne. Die Agentin kam aus dem äußersten Westen und hielt sich immer
Richtung Osten.
Mit dem Untergang der Sonne
verstärkten sich die Nebel, so dass sie gezwungen
wurde, noch langsamer zu fahren. Streckenweise sah sie die Hand nicht vor
Augen.
Am späten Abend erreichte sie ein
kleines Dorf, unmittelbar vor Dinan. Die Kirchturmuhr schlug gerade achtmal.
Noch eine knappe halbe Stunde nach
Dinan...
Das schaffte sie. Auf Anhieb fand
Claudine Solette die angegebene Straße am Rand der
Stadt. Die Häuser waren zwei- und dreistöckig. Die Fassaden machten nicht den
besten Eindruck. Die Straße war gepflastert, kaum ein Passant zu sehen.
Vor dem dunklen Haus mit der
abgebröckelten Fassade hielt X-GIRL-F.
Einen Moment schloss sie die Augen und lehnte sich müde zurück. Dann gab sie sich einen Ruck,
verließ das Auto und betätigte die Klingel, neben der in schwarzer Schrift der
Name LOUSON stand.
Die PSA-Agentin musste längere Zeit warten, ehe sie Schritte hinter der Haustür hörte. Hölzerne Stufen
ächzten. Dann wurde ein Riegel zurückgeschoben.
Eine Frau mit grauem, ungepflegtem
Haar, mit einer nicht mehr sauberen Kittelschürze bekleidet, stand auf der
Schwelle.
»Ja, bitte, Mademoiselle. Sie wünschen ?« wurde Claudine Solette mit
brüchiger Stimme gefragt.
Sie stellte sich vor und erkundigte
sich dann, ob sie Christine Louson sprechen könne.
Danach herrschte einen Moment
betretenes Schweigen. Claudine fühlte beinahe körperlich das Misstrauen und eine gewisse Angst, die ihr entgegengebracht
wurden.
»Wieso fragen Sie nach Christine ?« lautete anstelle einer Antwort die Gegenfrage.
»Ich möchte gern mit ihr sprechen.
Wir... wir kennen uns flüchtig«, sagte Claudine Solette schnell.
In den Augen der alten Frau war ein
Aufleuchten zu bemerken. »Ja, ja... Christine.. murmelte sie dann. »Sie muss jetzt so alt sein wie Sie, Mademoiselle ... Ende
zwanzig, Anfang dreißig, nicht wahr, wenn ich richtig schätze ?«
»Sie schätzen richtig«, lächelte
X-GIRL-F.
»Christine ist... war meine Tochter !«
Als diese Worte fielen, erschrak die
Agentin. Das war die Mutter Christines? Wenn sie in etwa ihr Alter hatte, dann musste es die Großmutter sein!
»Ja, ja, ich weiß, Mademoiselle, was
Sie jetzt denken. Ich bin sehr alt... ich sehe sehr alt aus, ich bin
sechsundfünfzig ... das erschreckt Sie, nicht wahr? Ich sehe aus wie siebzig...
es gibt Dinge im Leben, die lassen einen Menschen über Nacht grau werden ...«
Sie hüstelte trocken.
Claudine Solette ließ sich ihre Überraschungen nicht anmerken. Dass diese einfache, alte Frau so genau ihre Stimmung erraten hatte, ärgerte sie.
»Sie sprachen vorhin von Christine so,
als ob es sie nicht mehr gäbe, Madame«, nahm die PSA-Agentin den Faden wieder
auf. »Ist etwas geschehen ?«
»Etwas, Mademoiselle? Viel! Mit dem verfluchten
Hotel hat das Unglück angefangen. Christine gibt es noch - und es gibt sie doch
nicht mehr...«, sagte sie wie abwesend und fuhr sich mit einer fahrigen
Bewegung durch das strähnige Haar.
»Das hört sich seltsam an, nicht wahr ?« blickte sie plötzlich auf.
»Wie kann ich Ihre Worte verstehen,
Madame ?«
»Christine lebt - und ist doch tot!
Sie weiß nichts mehr von sich, von uns ... eine einzige Nacht hat ihr Leben
total verändert .«
»Ich möchte gern mehr darüber wissen,
Madame. Wenn Sie erlauben, möchte ich Sie bitten, mir alles über Christines
Schicksal zu erzählen .«
Claudine Solette spürte es. Das war es! In den wenigen Worten, die die Frau bisher gesprochen
hatte, war ein Hotel erwähnt worden. Und es stand mit dem offensichtlich
außergewöhnlichen Schicksal der Christine Louson in
Verbindung ... das aber wiederum deckte sich mit der zerstückelten Botschaft
des jenseitigen >Marcel<.
»Wollen Sie sie wirklich
Weitere Kostenlose Bücher