SGK312 - Die 17 Kammern des Grauens
in der eisigen Flut.
Jetzt erreichte es die Höhe seiner
Waden, seiner Knie.
Van Oltsen hatte das Gefühl, daß ein Schraubstock um seine Gelenke gelegt würde, der dann
schnell wie ein lebendes Wesen nach oben stieg.
Das eisige Wasser aus dunkler,
unergründlicher Tiefe erreichte seine Hüften.
Dem Mann schlugen die Zähne zusammen.
Die Flut stieg immer höher.
Sie erreichte seine Brust. Da meinte
er, die Luft würde ihm abgestellt. Sein kräftiges Herz wurde mit der Belastung
fertig, und er zauberte trotz dieser beängstigenden Situation ein Lächeln auf
sein Gesicht.
Das sollte alles sein?
Das war das Grauen, von dem Mary
gesprochen hatte?
Mit Wasser würde er fertig werden!
Instinktiv begann er zu schwimmen und richtete den Blick nach oben.
Eigenartigerweise war es in diesem Verlies nicht stockfinster. Und obwohl es
eine wirkliche Lichtquelle nicht gab, haftete der Umgebung ein gespenstisch,
giftgrüner Schimmer an, der von dem rasch emporsteigenden Wasser in die Höhe
getragen wurde.
Es herrschte eine geisterhafte
Dämmerung, in der er die Umrisse des klobigen Mauerwerks erkannte, den runden
Rand des Brunnenschachtes über sich jedoch mehr ahnen, als sehen konnte.
Doch mit dem Wasserspiegel wurde auch
er nach oben gedrückt.
Van Oltsen schlugen die Zähne aufeinander.
Ich werde es schaffen, hämmerten seine
Gedanken. Der Weg nach oben ist noch weit, doch ich werde durchhalten. Ich bin
stark, weder langes Schwimmen noch permanente Kräfte werden mich besiegen. Und
oben werde ich sehen, wie es weitergeht.
Er schätzte, daß er sich bereits fünf
Meter, dann zehn Meter über dem Boden befand. Die dunkle Tiefe unter sich
konnte er nicht mehr erkennen. Durch das grünliche Schimmern über sich hatte er
den Rand näher geschätzt.
Noch fühlte er keine Ermüdung, trotz
der Kälte, die die Durchblutung seiner Muskeln hemmte. Er schwamm ausdauernd
und ruhig.
Und dann war es soweit. Nur noch einen
Meter, höchstens anderthalb.
Er blickte nach oben und achtete nicht
auf das, was von unten kam.
Dort hatte sich wie von Geisterhand
die schwere Kette mit den Stahlkugeln gelöst.
Allen Naturgesetzen zum Trotz blieben
die zentnerschweren Kugeln nicht auf dem Grund, sondern schwebten mit dem
Wasserauftrieb nach oben.
Doch das konnte nicht sein!
Als van Oltsen den dunklen Schatten unter seinen Füßen bemerkte, war es zu spät, noch zu
reagieren. Er hatte überhaupt keine Chance.
Die Ketten stiegen hoch. Zuerst
schlangen sich die Glieder wie eiskalte, knochenharte Fesseln um seine Fußgelenke,
dann schlossen sich die breiten eisernen Manschetten um seine Arme. Eine dritte
Kette schlang sich um seine Hüften.
Van Oltsen öffnete den Mund zum Schrei. Er wurde erstickt…
Die Stahlkugeln rissen ihn in die
Tiefe. Die Kraft, die sie emporgetragen hatte, brach plötzlich zusammen.
Normale physikalische Bedingungen herrschten wieder.
Rasend schnell ging es nach unten.
Panik erfüllte den Mann, der an seinen
Fesseln riß und zerrte, dessen Herz wie wahnsinnig schlug. Wie ein Stein sank Oltsen abwärts.
Hinter den quadratischen, vergitterten
und verglasten Fenstern in der Schachtwand, an denen er vorüberkam, begannen
große, bersteingelbe Augen zu leuchten, die gierig
alles in sich aufnahmen.
*
Der Mann am Steuer des feuerroten
Mini-Cooper trat das Gaspedal durch.
Der kleine Wagen rauschte wie ein
Pfeil über die nächtliche Straße.
Larry Brent war schneller
vorangekommen, als er zunächst erwartet hatte. Dazu hatte ihm auch verholfen,
daß er eine Abkürzung wählte.
Ein Schild an der linken Straßenseite
wies ihn darauf hin, daß es bis zum Hampton-Castle nur noch drei Meilen waren.
Noch eine kurze Strecke, und er würde
Morna sehen und gemeinsam mit ihr versuchen, hinter das Geheimnis zu kommen,
das die Schwedin so stark beschäftigte.
Eine Meile vor dem Castle sah er
plötzlich die Scheinwerfer eines anderen Fahrzeuges von der Straßenseite her in
die Nacht strahlen.
Ein Wagen rollte auf die Straße und nahm
rasch Geschwindigkeit auf.
Als Larry Brent an die Stelle kam, sah
er, daß es sich um einen Feldweg handelte. X-RAY-3 schmunzelte. Es konnte sich
höchstens um ein Liebespaar handeln, das zu später Stunde irgendwie in der
Abgeschiedenheit geschmust hatte.
Er sah die Rücklichter des anderen
Fahrzeuges vor sich und klebte etwa zwei- bis dreihundert Meter hinten dran.
Das Hinweisschild kündigte an, daß
sich fünfhundert Meter weiter die Einfahrt von Hampton-Castle befand.
Der Wagen
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