SGK324 - Phantomjagd auf Morna U
versunken, daß sie
vergaß, ihr Fahrtziel zu nennen.
»Hotel „Esplanade“«, sagte sie.
Morna sah, wie der Fahrer sich schüttelte.
Wie am Nachmittag, so zeigte er eine ähnliche Reaktion wie der Fahrer des
Taxis, der sie vom »Esplanade« in die Rue Morgue gebracht hatte. Nur mit dem
Unterschied, daß er sie nicht darauf ansprach. Und das war Morna Ulbrandson
ganz lieb so, denn ihr Bedarf an Kommunikation war für diesen Abend gedeckt.
Sie mußte sich zusammenreißen, um während der
Fahrt nicht einzuschlafen. Der Weg zum Hotel kam ihr vor wie eine Ewigkeit.
Morna war froh, als sie ihr Zimmer betrat.
Sie zog sich aus, erledigte das Notwendigste
an Toilette und legte sich ins Bett.
Drei Minuten später kündeten tiefe Atemzüge
davon, daß die Schwedin eingeschlafen war ...
*
»He, George, aufstehen..., verdammt nochmal!
Das ist kein Schlafzimmer, sondern ’ne Kneipe ...« Der Wirt schüttelte seinen
letzten Gast, der partout noch ein Bier wollte.
»Nichts, keinen Tropfen kriegst du mehr. Du
hast genug getankt. Ich habe dich nur so lange hier sitzen lassen, weil du den
kürzesten Heimweg hast. Die anderen sind alle schon weg, ich will den Laden
endlich dicht machen.«
»Alle ... schon ... weg?« fragte der
schwarzhaarige Mann.
Und schon wollte er wieder geistig
wegtreten...
Der Wirt rüttelte ihn wach.
George griff nach seiner Brieftasche. »Was
bin ich dir... schuldig?«
»Alles schon erledigt, altes Haus. Mach dich
auf die Socken!« Der Wirt war dem Mann behilflich, vom Stuhl in die Höhe zu
kommen. George hatte schwere Schlagseite.
Er wankte am Arm des Wirtes durch das leere
Lokal, in dem bis auf einen sämtliche Stühle auf den Tischen standen.
»Wer... hat für ... mich bezahlt?« fragte der
Betrunkene und schien erst jetzt die Worte des Wirtes zu erfassen.
»Die Blonde. Möchte bloß wissen, wo du die
aufgegabelt hast. Das Weib sah wirklich gut aus ...«
George grinste. Das Lob machte ihn stolz.
»Glück muß man... haben ... Wo ist sie denn jetzt?«
Achselzucken. »Keine Ahnung. Aber sie will sich
wieder bei dir melden ... Suzette hat so etwas durchblicken lassen...«
Sie kamen auf der Straße an. Nebel krochen
über das Kopfsteinpflaster.
Der Wirt sah seinem Stammgast noch kurz nach.
Aus Erfahrung wußte er, daß George seinen Weg finden würde.
Bis zu seiner Wohnung waren es knapp
vierhundert Schritte.
Der Betrunkene kam nur mühsam vorwärts.
Unterwegs blieb er an Hauswänden stehen, brabbelte etwas vor sich hin und ging
dann einige Schritte weiter. Er versuchte sich eine Zigarette anzuzünden, gab
es aber schließlich auf, als er mehrere Male das Streichholz fallen ließ Und
die Flamme nicht an den
Tabak halten konnte.
Schließlich erreichte er das schmalbrüstige
Mietshaus. Es waren vier Stockwerke, die Fassade sah schmutzig aus.
Die Haustür war nicht verschlossen.
Der Betrunkene kroch mehr die Treppe hinauf,
als daß er sie ging.
Es dauerte geraume Weile, ehe er die
Hausschlüssel fand, und es vergingen zehn Minuten, ehe die Tür schließlich
offen war.
George torkelte in die Wohnung und fiel gegen
den altmodischen Schuhschrank in dem handtuchschmalen Korridor.
Er verfluchte das Möbelstück, trat dagegen
und nahm sich im Rausch zum hundertsten Mal vor, den Schrank von dieser
unpraktischen Stelle endlich zu entfernen.
Der Mann fühlte sich nicht gut. Er hatte an diesem
Abend zuviel durcheinander getrunken und den Wunsch, den Kopf unter den
Wasserhahn zu halten.
Die Tür zu dem winzigen Badezimmer stand
offen.
Die nackte Birne an der Decke spendete müdes
Licht.
Dem Wohnungseingang gegenüber befand sich
Georges Wohn-Schlafraum.
Von da kamen sie. Lautlos wie Schatten und
sagten kein Wort.
Ein Mann und eine Frau. Josephine und Pierre
Tofflaine. Beide hielten Dolche in der Hand und stürzten sich auf ihn, ehe er
begriff, was eigentlich geschah ...
*
Es waren wirre Träume, die sie hatte.
Sie wußte, daß sie in einem Hotelzimmer lag.
Im »Esplanade«.
Sie wußte, daß sie todmüde war. Ihre Glieder
wirkten schwer wie Blei, ihr Kopf war erfüllt von eigenartigen Gedanken. Noch
im Schlaf beschäftigte sie sich mit den Vorgängen.
Sie sah Josephine und Pierre vor sich,
genauso wie sie sie auf den Fotografien der letzten Zeit gesehen hatte.
Die beiden stritten sich, und Morna stand
mitten drin.
Sie wollte den Streit schlichten, wurde aber
von Pierre, der eine gewaltige Kraft entfaltete, wie ein lästiges Insekt zur
Seite gefegt.
Die schwedische
Weitere Kostenlose Bücher