SGK324 - Phantomjagd auf Morna U
Ulbrandson glaubte zu träumen. Die
Schrift verwischte vor ihren Augen.
Es lief ihr eiskalt über den Rücken.
Die Fotografie war fünf Tage alt, und sie
zeigte Josephine Tofflaine mit ihrem vor zwanzig Jahren verstorbenen Vater!
*
Einige Sekunden stand X-GIRL-C wie erstarrt.
Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander.
Sie legte die Bilder wieder an Ort und Stelle
zurück.
War ihr beim Betreten schon die düstere
Wohnung fremd und merkwürdig erschienen, so wurde sie ihr nun geradezu
unheimlich.
Hier stimmte etwas nicht, wiederholte Morna
in ihrem Innern.
Die Wohnung war nicht verschlossen, jedermann
hatte Zutritt... Josephine war verschwunden, und es gab ein fünf Tage altes
Bild, das sie eindeutig mit ihrem Vater zeigte, der schon lange nicht mehr
unter den Lebenden weilte.
Mornas Neugier war geweckt.
Unwillkürlich warf sie einen Blick nach oben,
wo das Loch in der Decke in die darüberliegende Wohnung mündete.
Würden sie da weitere Überraschungen
erwarten?
Die PSA-Agentin stieg die schmalen, engen
Stufen nach oben.
Das Zimmer war noch dunkler. Die Vorhänge
waren dichter.
Der Raum, in dem sie ankam, war eine weitere
Galerie und in der Mitte durch einen von Wand zu Wand reichenden schwarzblauen
Vorhang abgetrennt.
Als Morna ihn beiseite schob, um einen Blick
dahinter zu werfen, glaubte sie ihren Augen nicht trauen zu können.
Die drei Wände dahinter hingen auch voll mit
Bildern. Aber was für welche! X-GIRL-C meinte, einen Blick in die Hölle zu
werfen.
Wild, düster und beklemmend waren die Farben,
nicht minder unheimlich die Gestalten und Landschaften, die darauf abgebildet
waren.
Pierre Tofflaines Alpträume schienen Gestalt
angenommen zu haben.
Morna wußte nicht, wohin sie zuerst blicken
sollte. Eine Landschaft war fremdartiger und unheimlicher, ein Porträt
furchteinflößender als das andere.
Die dargestellten Gestalten waren
grünlich-fahl, wirkten halb durchsichtig bis verschwommen und waren riesig in
ihren Ausmaßen.
Morna Ulbrandson betrachtete die
teufelsköpfigen Ungeheuer mit den Klauenhänden. Andere Figuren hatten Köpfe von
überdimensionalen Vögeln, eine dritte sah aus wie die Karikatur eines Menschen
mit langen, steifen Ohren und einem breiten Maul, das von einem Ohr zum anderen
reichte.
Eine vierte Figur erinnerte an eine riesige
Hexe, die mit wehenden weißen Haaren aus grünlichem Nebel auftauchte. Ihre
Augen waren nichts weiter als tiefe schwarze Löcher in einem spitzen grünen
Gesicht.
Morna Ulbrandson erschauerte.
Ein furchtbarer Gedanke drängte sich ihr auf.
War Pierre Tofflaine plötzlich wahnsinnig geworden, daß er solche Bilder malte?
Zwischen dem, was er unten zeigte, und hier -
herrschte ein unbeschreiblicher Unterschied.
Der Raum, in dem die unheimlichen Bilder die
Wände bedeckten, schien eine Art Treffpunkt oder Versammlungsort zu sein.
Einfache Holzstühle standen im Kreis. Der
Raum war mehr als doppelt so groß wie der darunterliegende. Das hing damit
zusammen, daß die Zwischenwände herausgebrochen worden waren. Auch ein Fenster
hatte man zugemauert.
Auf dem alten Dielenboden waren seltsame
Zeichen gemalt. Mit Kreide. Morna rückte einen Stuhl zur Seite und betrat das
Kreisinnere.
Seltsame Gefühle stiegen in ihr auf. Neben
Ratlosigkeit, Verwirrung, Neugier und Furcht war alles vertreten.
Die Atmosphäre im Kreisinnern war unheimlich.
Hier existierte etwas, das sie beinahe körperlich fühlte, aber nicht näher
beschreiben konnte.
Zwischen diesen dunklen, zugemauerten Wänden
und den Bildern waren unheimliche, unaussprechliche Dinge passiert.
Die Schwedin glaubte Stimmen zu hören,
Stimmen, die geheimnisvolle Formeln sprachen.
Hier waren okkulte Aktivitäten entfaltet,
möglicherweise schwarze Messen gelesen worden. Beschwörungen der Geister hatten
stattgefunden ...
Die Atmosphäre dieses Raums war vergiftet.
Morna hörte plötzlich in der Stille ihr Herz
heftiger und laut pochen. Sie meinte, das Geräusch würde aus den Wänden kommen
...
Josephine Tofflaines Abwesenheit und die
merkwürdigen Umstände, unter denen Morna die Wohnung betreten hatte, schienen
in engem Zusammenhang mit dem zu stehen, was sie hier vorfand.
Auch die Tatsache, daß Josephine Tofflaine
mit ihrem vor rund zwanzig Jahren verstorbenen Vater fotografiert worden war,
ging auf schwarzmagische Aktivitäten zurück. In diesem Haus herrschten die
Geister! Die Bilder, die rings an den Wänden hingen, waren keine Ausgeburten
der Phantasie Pierre Tofflaines,
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