SGK324 - Phantomjagd auf Morna U
Fuñé das Schloß.
Hinter sich sicherte er die Tür wieder.
Seinen Citroen hatte er zweihundert Meter vom Eingang entfernt geparkt und war
zu Fuß den Rest des Weges gegangen.
Die Villa lag hinter alten, dichten Bäumen
versteckt, daß sie von der Straße aus nicht einsehbar war.
Ein breiter Kiesweg führte zwischen Rasen und
Blumenbeeten auf das Haus zu. Das Anwesen machte einen gepflegten Eindruck.
In dem zweistöckigen Haus mit dem spitzen
Dach war alles dunkel und still.
Fuñé löste das Siegel und schloß die Tür auf.
Durch den Haupteingang betrat er die Villa.
Hohe Decken, Stückarbeiten, eine
reichverzierte Treppe führte in die oberen Etagen.
In der Eingangshalle, die einem exquisiten
Hotel alle Ehre bereitet hätte, stand eine zwei Meter hohe, handgeschnitzte
farbige Figur. Ein Neger mit türkisfarbenen Beinhosen, den Oberkörper frei,
trug eine riesige Schüssel, die prall gefüllt war mit Früchten aller Art. Diese
Früchte aber leuchteten, sie waren Lampen. Sie gingen automatisch an, sobald
man die Schwelle überschritt.
Fuñé erlebte dies zum zweiten Mal. Es war
gespenstisch, als das Licht im Haus anging, das momentan niemand bewohnte.
Die Einrichtung der Villa entsprach dem
Reichtum des Besitzers, der sich vom einfachen Handlanger in diese Position
hochgearbeitet hatte. Und das auf ehrliche Weise. In seinem Leben gab es keine
Vorstrafen, keine zwielichtigen Vorkommnisse, keine krummen Geschäfte, keinen
dunklen Punkt. Das alles stand in den Akten. Ludeux’ Leben lag wie ein offenes
Buch vor den Augen des Kommissars.
Maurice Fuñé warf nochmal einen flüchtigen Blick in das
große Arbeitszimmer, das mehr als fünfzig Quadratmeter maß. Der Schreibtisch
nahm eine ganze Wand ein. Darüber hingen in goldenen Rahmen mehrere Bilder.
Landschaften aus der Zeit des Mittelalters, von holländischen und französischen
Malern in Ölfarbe festgehalten.
Unter zahlreichen kleineren Bildern befand
sich auch das Konterfei einer Frau, deren Identität niemand kannte. Weder die
Putzfrau, noch der Gärtner, noch die Freundinnen hatten darüber Auskunft geben
können. Von den beiden Angestellten aber war übereinstimmend ausgesagt worden,
daß das Frauenbild nicht nur zur Zierde an der Wand hing. Jean Ludeux hatte zu
der Abgebildeten eine persönliche Verbindung.
Fune betrachtete das kleine Aquarell, das in
dunklen, aber zarten Farben gehalten war.
Die Frau darauf hatte ein kleines, rundes
Gesicht. Die Augen waren auffallend groß. Das Haar war kurzgeschnitten, in der
Mode der zwanziger Jahre. Das Bild konnte auch aus dieser Zeit stammen. Rahmen
und Inhalt waren alt.
Die dargestellte Person war jedoch auf keinen
Fall mit Ludeux verwandt. Auch Annahmen, daß es sich eventuell um seine Mutter
handeln könnte, trafen nicht zu. Ludeux hatte seine Mutter nie kennengelernt.
Als vier Wochen altes Baby fand man ihn in einem Tragekorb vor der
Eingangspforte des besagten Waisenhauses, dem er nun sein gesamtes Vermögen
vermacht hatte.
Die gesamte Korrespondenz der letzten Zeit
war gesichtet worden, ebenso Eintragungen, die Ludeux handschriftlich in eine
Art Arbeitsbuch gemacht hatte. Nichts über seine Absicht, nach Clingnancour zu
fahren. Seltsamerweise hatte er auch seinen Wagen nicht benutzt. Entweder war
er von jemand abgeholt worden, oder er war mit dem Taxi gefahren. Bis zur
Stunde war jedoch weder das eine noch das andere geklärt, und auch dies war ein
Punkt, der Fune ständig zu schaffen machte.
Von dem rätselhaften Bild, das angeblich eine
Bedeutung in Jean Ludeux’ Leben haben sollte, gab es inzwischen eine Kopie.
Der Hintergrund war schummrig und in
verschieden große Flecke aufgeteilt. Wenn man angestrengt hinsah, konnte man
meinen, daß die Fläche hinter dem Frauenkopf aufgelockert war und ein Bild im
Bild darzustellen schien.
Fun6s Augen verengten sich. Er konnte sich
nicht daran erinnern, daß ihm beim erstenmal dieser Umstand aufgefallen war.
Merkwürdig ...
Er rief im Kommissariat an und bat darum, von
der Kopie eine Vergrößerung anfertigen zu lassen.
Da konnte er sich in Ruhe die Einzelheiten
ansehen...
Im Haus gab es insgesamt sechs Bäder. Eins
schöner als das andere. Ludeux war ein wahrer Ästhet gewesen.
In dem riesigen Arbeitszimmer gab es einen
Wandtresor, in dem Schmuck, Aktien und wichtige Urkunden auf bewahrt wurden.
Mit Hilfe eines Spezialisten war die Kombination herausgefunden und der Tresor
geöffnet worden.
In Gedanken ging Fuñé alle Stationen durch, die sie
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