SGK330 - Tanzplatz der Verfluchten
Kaltes,
Erschreckendes in seinem Blick, dass ich förmlich zusammenzuckte. Und es gab Momente, in denen ich mich fragte, ob
das im Bett wirklich mein Junge war oder eine fremde Person, die mich hasste , die keinerlei Beziehung zu mir hatte...«
Sie legte eine kurze Pause ein. Dann
fuhr sie fort:
»Das ereignete sich mehrere Male
hintereinander. Am Anfang sah er mich nur an, wie bereits erwähnt. Als ich
wieder mal fragte, mit wem er spreche, sagte er: Mit >I h m<... er steht
doch direkt vor mir... Damals bekam ich Angst, dass er den Verstand verloren hätte, dass irgend etwas in
seinem Kopf nicht in Ordnung war. Ich sprach mit Alfred, meinem Mann, der
lachte mich aus und sagte, dass Kinder in diesem Alter
oft mit imaginären Personen sprächen, dass sie ihnen
sogar Namen gäben ... Eines Nachts jedoch, ich war wieder durch sein Sprechen
wach geworden und ins Zimmer gegangen, sah ich das, was auch Horst so
faszinierte. Da war jemand in seinem Zimmer. Tatsächlich! Eine dunkle Gestalt.
Sie stand völlig reglos in einer Ecke des Zimmers. Ich glaubte erst, mich zu
täuschen ... hielt sie für einen Schatten, ein Schatten jedoch, der menschliche
Umrisse aufwies! Als ich das zweite Mal hinsah, war die Erscheinung verschwunden.
In den folgenden Nächten wiederholte sich dieses Schauspiel. Jedes Mal wenn ich
nach Horst sah, war der schwarze Fremde im Raum. Er stand in der Ecke neben den
Vorhängen, saß auf dem Bett und sagte kein Wort. Er hörte nur zu.
Ich hatte Furcht vor einem bestimmten
Gedanken. Ich hielt Horst und mich - für wahnsinnig. Wir sahen beide Dinge, die
es nicht gab. Der Gedanke, der mich von Stunde an nicht mehr losließ, war wohl
mit ein Grund dafür, dass ich zu trinken anfing. Ja, damals fing es an... vor rund zehn, elf Jahren...
ich fürchtete mich davor, geisteskrank zu sein. In meiner Familie hatte es vor
Generationen einen solchen Fall gegeben. Von meiner Mutter hatte ich erfahren, dass mein Großvater nicht ganz richtig im Kopf gewesen sein
sollte. Im fortgeschrittenen Alter hätte er noch oft mit imaginären Personen
gesprochen und eines Tages Selbstmord begangen. Hatte ich etwas geerbt, das nun
langsam zum Vorschein kam? Trug der Junge ebenfalls den Keim der
Geisteskrankheit meines Großvaters in sich?
Dann hörten die nächtlichen Besuche
des Unbekannten plötzlich wieder auf, und ich schöpfte schon Hoffnung, dass es für uns beide nur eine kurzfristige,
gesundheitliche Kriese gewesen war. Da fingen die Versteckspiele des Jungen an,
von denen ich Ihnen schon erzählt habe ... aber Sie wissen noch nicht alles.
Das Versteck gab es nur hier in der Wohnung. In einer Dreizimmerwohnung, in der
doch eigentlich jede Ecke und jeder Winkel vertraut sein sollte. Ich konnte die
ganze Wohnung auf den Kopf stellen - Horst war verschwunden, als hätte er sich
unsichtbar gemacht. Ich sah in Schränken, in Ecken und Nischen, unterm Bett,
Couch, Tischen und Stühlen nach, kletterte selbst auf die Schränke, um auch
hier nachgesehen zu haben. Nichts ... Das grenzte an Hexerei, nicht wahr!
Irgendwo in der Wohnung aber musste der Junge doch
sein...«
Sie schenkte sich noch mal ein, trank
aber ihr Glas nicht sofort aus.
»Er hat die Wohnung tatsächlich nie
verlassen ?« stellte Morna bei dieser Gelegenheit die
Frage.
»Hundertprozentig nicht. - Einmal wäre
ich fast dahintergekommen. Aber da hat mir Horst wie in einer bösartigen
Absicht einen Strich durch die Rechnung gemacht... Ruth war hier. Seine
Cousine, Sie wissen schon, sie war eines der Mädchen, die in der Gruppe dabei
waren .«
»Ruth Bestner, ja, ich weiß ...« Es
überraschte die Schwedin nicht, dies zu hören. Bei ihren Recherchen hatte sie
herausgefunden, dass Ruth Bestner Horst Kaichens Cousine war. Zunächst hatte sie darin nichts
Besonderes gesehen. Aber das änderte sich, als Anna Kaichen jetzt ihre
Geschichte zum Besten gab.
»Das geht etwa auf die gleiche Zeit
zurück, von der ich Ihnen eben erzählt habe... es hegt also auch rund zehn oder
elf Jahre zurück. Ruth war hier zu Besuch. Sie war damals acht oder neun Jahre
alt. Sie spielten Horsts Lieblingsspiel: Verstecken in der Wohnung.
Ruth muss etwas bemerkt haben, jedenfalls hörte ich plötzlich draußen im Flur eine große
Schreierei. Ich rannte nach draußen und sah die beiden wie Kampfhähne einander
gegenüberstehen. Sie hatten hochrote Köpfe. Horst hatte Ruth an den Zöpfen
gepackt und drohte ihr mit den Worten: >Wenn du auch nur einen einzigen Ton
sagst, dann bringe ich dich
Weitere Kostenlose Bücher