Shades of Grey - Geheimes Verlangen: Band 1 - Roman (German Edition)
meine Hand, nimmt sein Jackett von einem Barhocker und führt mich durch die Diele zum Aufzug. Die vielen Gesichter des Christian Grey. Ob ich diesen launenhaften Mann jemals verstehen werde?
Ich trete neben ihn in den Aufzug und sehe ihn an. Er lächelt in sich hinein, als würde er sich insgeheim über irgendetwas amüsieren, allerdings fürchte ich, dass es irgendetwas mit mir zu tun hat. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich werde gleich seinen Eltern gegenübertreten und trage keinen Slip. Ich hab’s dir ja gleich gesagt , meldet sich mein Unterbewusstsein überflüssigerweise zu Wort. In der relativen Sicherheit seines Apartments mag das Ganze eine kesse, witzige Idee gewesen sein, doch nun
bewege ich mich praktisch in aller Öffentlichkeit ohne Unterwäsche! Er sieht mich an, und da ist es wieder – dieses unglaubliche Knistern zwischen uns. Das belustigte Funkeln in seinen Augen erlischt. Seine Miene verdüstert sich, und seine Augen …
In diesem Augenblick öffnen sich die Aufzugtüren, und wir stehen im Erdgeschoss. Christian schüttelt den Kopf, als müsse er sich sammeln, und lässt mir mit einer Gentleman-Geste den Vortritt. Aber wem will er etwas vormachen? Christian ist kein Gentleman. Er hat meinen Slip in der Hosentasche.
Taylor fährt den großen schwarzen Audi vor. Christian öffnet mir die Tür. So elegant, wie es in Anbetracht der Tatsache, dass ich keine Unterwäsche trage, möglich ist, rutsche ich auf den Rücksitz. Nur gut, dass Kates Kleid so eng geschnitten ist, dass es mir nicht weiter über die Schenkel nach oben rutschen kann.
Wir fahren die Interstate 5 entlang. Keiner von uns sagt etwas, was zweifellos an Taylors Anwesenheit hinterm Steuer liegt. Christians Stimmung scheint sich mit jedem Kilometer zu verdüstern, den wir weiter nach Norden kommen. Inzwischen ist von seiner Ausgelassenheit nichts mehr zu spüren. Grübelnd starrt er aus dem Fenster, und ich merke, wie er mir immer mehr entgleitet. Was geht in ihm vor? Aber natürlich kann ich ihn jetzt nicht danach fragen. Worüber könnte ich mich in Taylors Gegenwart mit ihm unterhalten?
»Wo hast du so gut tanzen gelernt?«, erkundige ich mich vorsichtig. Er wendet sich mir zu. Ich habe Mühe, im Halbdunkel der vorbeifliegenden Straßenlampen den Ausdruck in seinen Augen zu erkennen.
»Willst du das wirklich wissen?«, fragt er leise.
Mein Mut sinkt. Nein, will ich nicht, weil ich es mir denken kann.
»Ja«, antworte ich widerstrebend.
»Mrs. Robinson hat sehr gern getanzt.«
Meine schlimmsten Befürchtungen bestätigen sich. Und augenscheinlich hat sie ihre Sache gut gemacht. Der Gedanke
deprimiert mich, denn es gibt nichts, was ich ihm beibringen könnte. Ich habe keine besonderen Fähigkeiten. »Sie muss eine gute Lehrerin gewesen sein.«
»Das war sie.«
Meine Kopfhaut prickelt. Hat sie ihn verführt? Wurde er danach so verschlossen und unzugänglich? Oder hat sie diese Seite überhaupt erst in ihm geweckt? Christian kann so witzig und ausgelassen sein. Beim Gedanken daran, wie er mich ohne jede Vorwarnung gepackt und durch sein Wohnzimmer gewirbelt hat, muss ich grinsen. Außerdem hat er irgendwo meinen Slip versteckt.
Und was ist mit seiner Kammer der Qualen? Reflexartig massiere ich meine Handgelenke. Auch das hat sie ihm alles beigebracht. Man könnte auch sagen, sie hat ihn versaut; je nachdem, wie man es betrachtet. Andererseits hätte er seine Neigungen vielleicht auch ohne ihr Zutun entdeckt. In diesem Augenblick wird mir bewusst, dass ich Mrs. Robinson hasse. Ich hoffe, dass ich ihr niemals über den Weg laufen werde, weil ich sonst für nichts garantieren kann. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so leidenschaftliche Empfindungen für jemanden gehegt zu haben, den ich noch nicht einmal kenne. Ich starre aus dem Fenster, während mich erneut diese sinnlose Wut und Eifersucht überkommt.
Ich muss wieder daran denken, was sich heute Nachmittag abgespielt hat. Nach allem, was ich über ihn weiß, ist er noch einigermaßen schonend mit mir umgegangen. Würde ich es wiederholen? Ich kann noch nicht einmal so tun, als hätte ich etwas dagegen. Natürlich würde ich es noch einmal tun, wenn er mich darum bitten würde – zumindest solange er mir keine echten Schmerzen zufügt. Und unter der Voraussetzung, dass dies die einzige Form der Beziehung ist, die ich mit ihm führen kann.
Das ist der springende Punkt: Ich will mit ihm zusammen sein. Meine innere Göttin stößt einen erleichterten Seufzer aus.
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