Shadow Falls Camp - Erwacht im Morgengrauen: Band 2 (German Edition)
schauen. Ihre Hoffnung, dass es nicht ganz so früh wäre, wurde schnell zunichtegemacht. Es war kurz vor fünf Uhr. Der Geist war überpünktlich.
Das war nicht fair. Und nicht nur deshalb, weil sie noch keine Lust hatte, Lucas zu begegnen. Hatte sie sich nicht gerade erst hingelegt? Noch nie waren drei Stunden so schnell vergangen. Es war schon zwei Uhr gewesen, als sie endlich in ihr Bett gefallen war.
Als Kylie Lucas gesehen hatte, war sie in die Hütte gerannt, wo Holiday schon auf sie wartete. Sie saß mit Della und Miranda am Küchentisch und alle drei schauten ziemlich trübsinnig vor sich hin. Ihre beiden Mitbewohnerinnen sahen sie schockiert an, als sie ins Zimmer gerauscht kam. Anscheinend hatten sie wirklich erwartet, dass sie sich in einen Werwolf verwandeln würde. Holiday dagegen hatte kein bisschen überrascht ausgesehen.
Als sie so darüber nachdachte, wurde Kylie plötzlich misstrauisch. Wusste Holiday doch mehr, als sie Kylie sagen wollte? Sie hatte Holiday wirklich lieb, aber ihr Glaube an den Selbstfindungs-Scheiß, von wegen jeder muss seine Antworten selbst finden, raubte Kylie noch den letzten Nerv.
Die Kälte breitete sich im Zimmer aus und riss sie aus ihren Gedanken.
»Du musst sie retten.«
Apropos letzter Nerv …
Kylie stöhnte und setzte sich auf. Der Geist stand am Fußende ihres Bettes. Der süße Geruch von Blut stieg Kylie in die Nase, noch bevor sie sah, dass der Geist wieder das blutige Nachthemd gewählt hatte. Die Frau sah Kylie flehend an und hielt sich den Unterleib, als wäre ihr schlecht.
»Wenn du kotzen musst, dann bitte nicht auf mein Bett.«
Der kalte, gefühllose Tonfall in ihrer Stimme erschreckte Kylie selbst. »Es tut mir leid«, flüsterte sie entschuldigend. »Es ist nur … Ich will doch nur das Rätsel lösen und es ist so frustrierend, nicht weiterzukommen.«
Der Geist legte eine Hand auf Kylies Fuß. Sogar durch die Bettdecke konnte Kylie die eisige Kälte spüren. »Du hast die Möglichkeit, es aufzuhalten. Bitte mach, dass es aufhört.«
»Was soll aufhören? Hat es denn schon begonnen?«, fragte Kylie nervös. War jemand, den sie liebte, schon in Schwierigkeiten? Entführt und gefoltert von den Blutsbrüdern oder sogar schlimmer?
»Verdammt, jetzt antworte mir schon!«, schrie Kylie. »Oder zeig mir wenigstens eine Vision, die ich verstehen kann. Es ist mir sogar egal, wie gruselig es ist, tu es einfach.«
Die Vision mit der Beerdigung ergab immer noch keinen Sinn.
Der Geist verschwand und mit ihm auch die Kälte an Kylies Fuß. Aber dann fühlte sie plötzlich etwas Seltsames. Eine kribbelnde Wärme breitete sich in ihrem Fuß bis hoch zu ihrem Knöchel aus. Kylie fasste sich an den Fuß. So etwas hatte sie bei Berührungen von Daniel nie erlebt. Hatte das etwas zu bedeuten?
Jetzt war sie wirklich frustriert. Aber plötzlich hörte sie das Geräusch eines Wasserfalls. Waren das die Todesengel, die ihr zu verstehen geben wollten, dass alles gutgehen würde?
Kylies Handy piepte und auf dem Display waren drei neue Anrufe angezeigt: Einer war von dem Privatdetektiv, einer von Sara und einer von ihrer Mom.
Die Furcht, dass vielleicht schon etwas passierte, ließ Kylie die frühe Uhrzeit vergessen, und sie rief gleich ihre Mutter an.
Drei Stunden später, gegen acht Uhr, stellte Kylie ihr Frühstückstablett auf den Tisch und setzte sich zu Della und Miranda. Sie schaute sich absichtlich nicht im Raum um, weil sie Angst hatte, ihn zu sehen. Oder den anderen. Sie wollte einfach keinen von beiden sehen. Wie Derek ihr gestern Nacht aus dem Weg gegangen war, hatte sie ziemlich verletzt. Sie wusste schon, dass sie ihn vor ein paar Wochen auch gemieden hatte, aber das war anders gewesen. Sie war ihm nicht aus dem Weg gegangen, weil sie ihn nicht sehen wollte; sondern weil sie ihn zu sehr sehen wollte.
Sie starrte auf das matschige Rührei, das ungefähr so appetitlich aussah wie ein totgefahrenes Tier, und dachte über das Gespräch mit ihrer Mutter nach. Ehrlich gesagt, glaubte Kylie nicht, dass ihre Mutter ihr die Bin gerade von einem schlimmen Traum aufgewacht und hab nicht auf die Uhr geschaut -Nummer abgenommen hatte. Aber als ihre Mutter zugegeben hatte, in letzter Zeit auch öfters Albträume gehabt zu haben, fragte sich Kylie, ob das am Gedächtnislöschen liegen konnte. Ging es in den Albträumen ihrer Mutter um das, was sie im Shadow Falls Camp gesehen hatte?
Plötzlich richteten sich Kylies Nackenhaare auf. Ohne sich umzudrehen, wusste
Weitere Kostenlose Bücher