Shadow Falls Camp - Erwählt in tiefster Nacht: Band 5 (German Edition)
doch sie würde das nicht zulassen. Sie liebte ihn viel zu sehr.
»Wollen wir jetzt trainieren, oder was? Wenn nicht, hab ich auch noch andere Dinge zu tun«, meinte Kylie gereizt.
»Dann lass uns trainieren.«
Sie machten noch etwa zehn Minuten mit den Trockenübungen weiter. Schließlich hielt er inne. »Okay, dann wollen wir mal anfangen. Aber immer schön dran denken, dass das kein Holz ist. Wir fangen langsam an.«
Und das meinte er ernst. Sie bewegten sich im Schneckentempo. »Mit wem hast du gestern gekämpft?«, fragte er eine Viertelstunde später, als sie endlich etwas schneller machten.
»Mit dem Geist.«
»Kann sie denn was?«, fragte Lucas.
Die Tatsache, dass er nach einem Geist fragte, überraschte Kylie.
»Sie behauptet, dass sie besser ist als du.«
»Ich wusste, dass ich sie nicht leiden kann.« Lucas lächelte schief. Nach einer kurzen Pause fragte er: »Wer ist denn der Geist?«
»Ich hab keine Ahnung«, antwortete Kylie wahrheitsgemäß. Und in dem Moment wurde ihr klar, dass es ihre oberste Priorität sein musste, das herauszufinden.
Kylie vergaß, Derek anzurufen. Die Trainingsstunde mit Lucas war gut, obwohl sie nicht richtig gekämpft hatten, so wie sie es mit den Holzschwertern getan hätten.
Als sie ihr Handy spätabends noch mal checkte, fand sie eine weitere Nachricht von Derek.
Ruf mich mal an!
Kylie hatte sofort ein schlechtes Gewissen.
Sie hatte ihn beim Abendessen kurz gesehen – das war nach seiner ersten SMS gewesen. Er war aber nicht zum Essen dort geblieben, sondern hatte etwas zu essen mitgenommen.
Kylie machte sich Sorgen, wusste aber nicht, ob er noch wach war, deshalb schrieb sie eine SMS zurück.
Was ist denn los?
Sie wartete eine Dreiviertelstunde auf eine Antwort. Aber es kam nichts.
Frustriert lehnte sie sich in ihrem Kissen zurück. Die Geisterkälte waberte zum dritten Mal, seit sie ins Bett gegangen war, durch ihr Zimmer. Doch der Geist zeigte sich nicht.
Kylies Gespräch mit Holiday am Nachmittag hatte ihr Gefühl bestätigt. Wenn sie die Identität des Geistes herausfinden könnte, würde ihr das mit Sicherheit weiterhelfen.
Obwohl die Geisterfrau es ihr nicht bestätigt hatte, ging Kylie davon aus, dass sie irgendetwas mit Mario zu tun hatte.
»Wer bist du?«, fragte Kylie in den kalten Hauch, der sich wie ein Schatten durch den Raum bewegte. »Sag es mir! Oder gib mir einen Tipp!«
Keine Antwort. Kylie versuchte, sich damit abzufinden, dass Geister sich nicht drängen ließen, und rollte sich auf die Seite, um zu schlafen. Sie versuchte krampfhaft, an etwas anderes als den Geist zu denken.
An etwas anderes, als jemanden töten zu müssen.
An etwas anderes, als zu sterben.
An etwas anderes als Lucas und die Hoffnung, die in seinen Augen aufgeblitzt war.
Endlich holte der Schlaf sie ein. Doch sofort weckte sie ein leises Geräusch wieder auf. Schritte auf dem Holzboden. Sie öffnete die Augen und tastete unter ihrem Kissen nach dem Schwert.
Unter ihrem Kissen? Sie schlief doch nicht mit dem Schwert im Bett.
Instinktiv wusste sie, dass sie hinter ihr her waren.
Wer war hinter ihr her?
Etwas stimmte nicht. Trotzdem zog Kylie die Waffe und sprang aus dem Bett. Ihre Füße landeten nicht auf dem gewohnten Holzboden. Sie sah hinunter – auf einen Perserteppich. Er war weich. Und teuer.
Wo war sie?
Oder noch besser: Wer war sie?
Ihr Herz klopfte im Takt der sich nähernden Schritte. Hastig schaute sie sich im Zimmer um. Es war ein Schlafzimmer. Nicht Kylies Schlafzimmer.
Schwere, teuer aussehende Holzmöbel schimmerten im Mondlicht, das durch ein großes Erkerfenster fiel. Davor wiegten sich Palmen im Wind.
Angst erfasste sie. Sie hob das Schwert. Nur um festzustellen, dass es nicht das Schwert war, das ihr geschickt wurde, sondern das Schwert von …
Alles ergab plötzlich einen Sinn. Sie war der Geist, und sie war in einer Vision. Ihr Blick fiel auf einen edlen, gerahmten Spiegel über einer Kommode. Eine Sekunde lang betrachtete sie ihr Spiegelbild. Dunkle, lange Haare fielen ihr wirr über die Schultern.
Doch was Kylie so richtig in Panik versetzte, war das Gewand. Es war das weiße Nachthemd, das die Frau offenbar getragen hatte, als sie ermordet wurde.
Und Kylie sollte es erleben. Ihr erster Impuls war loszuschreien. Ihr zweiter Impuls war, genau aufzupassen, um die Antworten zu finden, die sie suchte.
Die donnernden Schritte kamen immer näher. Es klang so, als ginge jemand hölzerne Treppenstufen hinauf. Instinktiv wusste
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