Shadow Falls Camp - Erwählt in tiefster Nacht: Band 5 (German Edition)
Kylie, dass die Frau ihre Angreifer erwartet hatte. Sie hatte gewusst, dass ihr die Nacht den Tod bringen würde. Sie hatte sich bewusst für das weiße Nachthemd entschieden, obwohl sie sich nicht sicher war, ob ihr dieses Zeichen der Unschuld etwas nutzen würde.
Jetzt, wo sie wusste, dass ihr Ende nahte, überkam sie ein Gefühl der Reue wegen des Lebens, das sie gelebt hatte. Doch tief in ihrem Herzen hatte sie akzeptiert, dass es zu spät war. Es war zu spät, ihr Leben noch zu ändern. Doch sie würde bestimmen,
wie
sie starb.
»Wer bist du?«
Die Frage huschte Kylie durch den Kopf. Sie betete, dass sie die Antwort auf die Frage finden würde, ehe sie den Tod der Frau durchleben musste.
Die Frau schaute zum Fenster, fast so, als überlegte sie zu fliehen.
»Mach, dass du wegkommst«,
versuchte Kylie ihr zu sagen.
»Du musst nicht sterben.«
Doch noch bevor sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, wusste Kylie, dass die Ereignisse dieses Abends bereits geschrieben waren. Kylie war nicht in diesem Körper und in dieser Erinnerung, um etwas zu verändern. Sie war dort, um es zu erleben.
Um die Wahrheit zu erfahren.
Welche Wahrheit? Wieso war die Frau nicht geflohen? Kylie spürte, dass Flucht eine Option gewesen wäre. Die Frau hatte den Tod gewählt. Doch aus welchem Grund?
»Mama.« Ein kleiner Junge rannte durch eine Verbindungstür auf sie zu.
»Er hat uns gefunden.« Seine Augen waren angstvoll geweitet und füllten sich mit Tränen. »Er hat uns gefunden. Was machen wir jetzt?«
Sie fasste den kleinen Jungen an den Schultern. Die Frau wollte ihn umarmen, ihr Gesicht in seinen Haaren vergraben, so dass sie erfüllt vom Geruch ihres einzigen Sohnes sterben konnte. Doch dazu war keine Zeit. Sie schob ihn in den Schrank. »Nimm die Falltür, die ich dir gezeigt hab. Lauf weg und sieh nicht zurück!« Sie schloss die Schranktür in dem Moment, als die Schlafzimmertür gewaltsam geöffnet wurde.
34 . Kapitel
Die Frau, in deren Körper sich Kylie befand, machte sich bereit zu kämpfen. Nicht weil sie glaubte, gewinnen zu können, sondern um ihrem Sohn das bisschen Zeit zu verschaffen, das er brauchte, um zu entkommen. Sie wusste, dass sie sterben würde. Aber ihr Sohn hatte eine Chance.
Sie stürmten ins Zimmer. Es waren drei. Sie waren ganz in Schwarz gekleidet und trugen keine Masken. Die Frau erkannte sie.
Sie kannte sie gut.
Hatte an ihrem Tisch gegessen.
Mit ihnen gelacht.
Sie kannte auch den Blick, der nur auf das Ziel gerichtet war, diesen Auftrag zu erledigen. Töten war ihr Job.
Sie hob das Schwert und kämpfte. Kämpfte für ihren Sohn. Ein paar Sekunden lang konnte sie dagegenhalten und ihre blutrünstigen Angriffe abwehren. Niemand konnte ihr vorwerfen, dass sie es ihnen leichtgemacht hatte.
Der erste schmerzhafte Stich traf sie in die Rippen. Kylie schrie auf. Sie versuchte, sich zu sagen, dass das alles nicht real war, dass das nicht sie selbst war, der das passierte. Doch es fühlte sich so real an. Sie spürte den schrecklichen Schmerz, den die Frau in den letzten furchtbaren Momenten ihres Lebens empfunden hatte.
Fühlte, wie die Waffen der Männer ihre Haut zerfetzten, ihre Knochen trafen.
Ihre Bewegungen wurden immer langsamer, die Schmerzen waren einfach zu stark. Sie fiel auf die Knie und kippte nach vorn auf den Boden. Ihr Blut verteilte sich auf dem Teppich. Die klebrige Flüssigkeit lief warm über ihre Haut, während sich eine innere Kälte in ihr ausbreitete. Sie kämpfte nicht dagegen an. Sie wünschte sich, ihr Blut würde schneller fließen. Je schneller es floss, desto weniger musste sie leiden.
Sie roch den Kupfergeruch ihres eigenen Bluts. Das Letzte, was sie sah, war die einen Spaltbreit geöffnete Schranktür und ihr kleiner Sohn, der mit vor Schrecken geweiteten Augen mitansah, wie sie ihren letzten Atemzug tat.
Er war nicht weggelaufen. Sie wurde wütend.
Würde er es wissen? Würde er wissen, dass sie gestorben war, damit er in Sicherheit war – um ihn vor dem Leben zu bewahren, dass sie und sein Vater gelebt hatten?
Im Angesicht des Todes schwor sie Rache. Nicht denjenigen, die sie getötet hatten – sie waren nur die Handlanger des Teufels. Sie wusste es nur zu gut, denn sie war eine von ihnen gewesen. Die Rache, die sie wollte, betraf den Teufel selbst. Und den, der es zugelassen hatte, den Sohn des Teufels.
»Geh nicht zu nah ran. Sie könnte dir mit dem Ding den Kopf abschlagen.« Mirandas schrille Stimme drang in Kylies Bewusstsein. Doch es
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