Shadow Falls Camp - Geboren um Mitternacht: Band 1 (German Edition)
viel zu viel für sie war?
Kylie biss sich so fest auf die Unterlippe, dass es wehtat. »Ich meine, wenn du mir jetzt so etwas sagst … wie, dass ich tot bin und dass ich mich an den Geschmack von Blut gewöhnen sollte, wo ich doch noch nicht einmal Sushi mag, dann kann ich nicht damit umgehen. Oder wenn du mir sagst, dass ich jetzt anfangen werde, den Mond anzuheulen und die Katzen anderer Leute zu fressen und dass ich mein Leben lang eine Ganzkörper-Wachsbehandlung brauchen werde, um einen Bikini tragen zu können, dann kann ich auch nicht damit umgehen, ganz sicher nicht! Ich mag Katzen, und mit Wachs habe ich einmal versucht, Haare zu entfernen, und es hat höllisch wehgetan.« Beim Gedanken daran verzog sie schmerzlich das Gesicht.
Holiday lachte, aber Kylie war es ernst damit gewesen. Das Wachsen hatte echt wehgetan, und Sara hatte seither vergeblich versucht, sie noch einmal zu so etwas zu überreden.
»Glaubst du, ich kann damit umgehen?«, fragte Kylie, obwohl sie die Antwort fürchtete.
»Ehrlich gesagt kenne ich dich noch zu wenig, aber ich vertraue der Beurteilung von Dr. Day.«
Kylie blinzelte. »Was hat denn meine Therapeutin damit zu tun?«
»Deine Therapeutin ist diejenige, die dich empfohlen hat. Sie hat deine Gabe erkannt. Sie ist eine Halbfee, weißt du?«
Kylie versuchte, diese Information zu verarbeiten. »Ich bin wegen ihr hier? Diese Frau ist so …« Kylie beugte sich zu Holiday, als ob Flüstern die Beleidigung abschwächen würde, »… sie ist echt nicht ganz dicht.« Kylie ließ die Hände auf den Tisch fallen. »Ich würde dich nicht anlügen. Sie ist echt verrückt.«
Holiday zog die Augenbrauen hoch. »Leider erscheint das Übernatürliche aus der normalen Perspektive immer etwas verrückt. Sie hat jedenfalls nur gut über dich gesprochen.«
Kylie fühlte sich ein wenig schuldig, was die Leiterin wohl auch bezweckt hatte.
Holiday legte ihre Hände auf Kylies Hände. »Ich werde dich nicht anlügen, Kylie. Die Wahrheit … Die Wahrheit ist, dass wir auch nicht wissen, was du bist.«
Kylie richtete sich auf und versuchte die Information zu verarbeiten, während Holiday still dasaß und ihr Zeit ließ. Nicht, dass sie Zeit brauchte, um sich damit abzufinden. Nein, das tat sie nicht. Sie war dabei, das Positive an der Sache zu finden. Sie blickte auf. »Na also, da haben wir es. Das kommt daher, dass ich nichts bin. Ich bin nur ich. Ganz normal.«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Du hast besondere Kräfte, Kylie. Diese Kräfte könnten von verschiedenen übernatürlichen Formen stammen. Und sie sind fast immer erblich.«
»Erblich? Keiner meiner Eltern hat übernatürliche Kräfte.«
Holiday sah nicht überzeugt aus. »In seltenen Fällen überspringt es eine Generation. Es könnte sein, dass du eine Fee bist. Es könnte aber auch sein, dass du von einer Linie der Götter abstammst. Oder aber –«
»Götter? Fee? Was heißt das?«
Holiday räusperte sich, und sie sah Kylie mitfühlend an. »Du kannst mit den Toten reden – manchmal im Schlaf. Manchmal auch, wenn du wach bist.«
Hitze schoss ihr in den Kopf, aber ums Herz wurde ihr kalt. »Mit den Toten?« In Gedanken begann sie, alle möglichen Erlebnisse durchzugehen, und kam immer wieder auf den Soldaten, da sie an ihre nächtlichen Panikattacken keine Erinnerung hatte.
»Nein, das stimmt nicht. Ich habe nie mit ihnen gesprochen. Niemals. Nicht ein Wort. Meine Mutter hat mir beigebracht, nie mit Fremden zu reden, und daran habe ich mich gehalten.«
»Aber du hast sie gesehen, oder?«
Kylies Augen füllten sich abermals mit Tränen. »Nur einen. Aber ich glaube nicht, dass er ein Geist ist. Okay, meine Mutter konnte ihn nicht sehen, aber meine Mutter … die ist eh immer in ihrer eigenen Welt.« Aber dann war da ja auch noch die Nachbarin, die einfach am Soldaten vorbeigegangen war, ohne ihn auch nur anzusehen. Oh, verdammt. Verdammt.
»Ich weiß, es ist unheimlich«, sagte Holiday. »Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als es bei mir angefangen hat.«
Kylie löste ihre Hände aus Holidays Griff. »Du … hast dieselbe … Fähigkeit?«
Holiday nickte und schaute zur Seite.
Kylie machte eine Armbewegung über den leeren Raum. »Aber im Moment ist niemand hier, oder?«
Ganz plötzlich fühlte sie es. Diese Kälte … diese unglaubliche, in die Knochen kriechende Kälte, die sie in letzter Zeit so oft gespürt hatte.
»Sie sind immer hier, Kylie. Du hattest nur deine … wie soll ich sagen …
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