Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)
»Bitte, Sie müssen sie hereinbringen. Ich habe sie verwöhnt. Sie ist es ganz und gar nicht gewohnt, den Elementen ausgesetzt zu sein.«
Er beugte sich auf dem Stuhl vor. »Ich werde sie holen. Aber ihr Korb bleibt geschlossen.«
»Natürlich«, stimmte sie zu. »Bis die Katzen fort sind.«
Seine Augen weiteten sich. »Ja, mindestens so lange.«
»Worüber lächeln Sie?«, wollte sie wissen. Er
hatte
gelächelt, seine Mundwinkel waren nach oben gezuckt.
Nach einem langen Moment antwortete er: »Über Sie, nehme ich an.«
Irgendetwas in ihr fiel in sich zusammen. Sie vermutete, dass es die halbherzig errichtete Mauer um ihre Gefühle war, die sie davor geschützt hatte, dass er ihr mit seinen beharrlich kühlen Blicken und seinem distanzierten Benehmen nicht wehtun konnte.
Sie runzelte die Stirn. »Und doch halten Sie mich für eine Mörderin des gleichen Schlags wie Jack the Ripper und die Dunkle Braut.«
Er rieb sich die Augen und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Die Bewegung spannte das Leinen seines Hemds über Schultern und Armen und stellte unbeabsichtigt die mächtige Wölbung seiner Muskeln zu Schau.
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll«, sagte er leise, während der Blick seiner grünen Augen über ihr Gesicht huschte. »Wenn Sie Flynn oder diese Frau nicht getötet haben, wer hat es dann getan?«
Er schien sie ernsthaft nach ihren Gedanken zu dem Thema zu fragen. Sie wünschte, sie hätte eine Antwort.
»Ich weiß es nicht. Aber ich habe in den letzten paar Monaten eine Menge seltsamer Ereignisse beobachtet. Genug, um zu wissen, dass die Dinge nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen.« Sie blinzelte, und die Falte zwischen ihren Brauen vertiefte sich. »Habe ich das wirklich gerade gesagt? Ich bin so erschöpft, dass ich Zuflucht zu Klischees gesucht habe.«
»Ja, das haben Sie.« Plötzlich lag etwas Intensives und Rohes in seinem Blick. »Also, warum schlafen Sie nicht weiter, damit wir nicht länger reden müssen?«
Die Worte trafen sie wie ein Schlag ins Gesicht. Sie waren recht gut miteinander ausgekommen, und jetzt das.
Sie schloss den Mund. »Wie bitte?«
»Ich will Sie nicht mögen, Selene.«
Rourke bemühte sich, den Blick auf ihre Stirn zu richten, statt auf ihre vollen Lippen … oder auf den dunklen Spalt zwischen ihren Brüsten. Ihre Schultern entspannten sich zum Zeichen, dass sie – zumindest bis zu einem gewissen Grad – verstand, was er soeben gestanden hatte. Er betete, dass ihre Wahrnehmung seiner Gedanken und Gefühle nicht weiter ging als unumgänglich. Er war jetzt hier, auf Swarthwick. Erinnerungen an seine Vergangenheit stürmten auf ihn ein wie aufdringliche Geister und zischten ihm ins Ohr, dass er nicht
konnte
. Dass er nicht
würde
. Er hatte es
versprochen
. Er gehörte ihnen, jetzt und für immer.
Er konnte sich nie, niemals gestatten, irgendwelche tiefen Gefühle zu empfinden oder wieder zu lieben.
»Ich will Sie auch nicht mögen«, gab sie leise zurück, und ihre Augen schimmerte etwas wie ein Flirt. Sie riss sich seinen Mantel von den Schultern und warf ihn zu Boden. »Sehen Sie das? Ich mag nicht einmal Ihren verdammten Mantel.«
Sie starrten einander an. Trotz der fieberhaft geflüsterten, hektischen Worte seiner Geister – oder vielleicht einfach seines von Schuldgefühlen geplagten Geists – regte sich etwas in seiner Brust, etwas Heißes und Sengendes und quälend Schmerzhaftes. Gott, er musste weg von ihr. Er konnte nur an ihren Kuss an diesem Nachmittag in der Kutsche denken, einen Kuss, an den sie sich offensichtlich nicht erinnerte. Ihr Mund auf seinem und ihr Körper in seinen Armen hatte Erinnerungen an allzu reale Träume geweckt, die er mit aller Kraft verbannt hatte.
Er stand auf. »Ich werde Mrs Hazelgreaves holen.«
»Vielen Dank.« Sie musterte das Banner über dem Kaminsims, das sein Wappen zeigte, ein schlichtes, weißes Kreuz auf kräftig grünem Hintergrund.
Er ließ sie allein. Draußen fiel ein stetiger Regen. Er hielt sein Gesicht dem kühlenden Nass entgegen, das seinen Kopf wieder klar werden ließ. Er brauchte nur eine Woche mit der Gräfin zu überleben. Vielleicht zwei. Es war nichts falsch daran, ihr maßvoll professionellen Respekt und Wertschätzung zu erweisen, während über ihre Schuld oder Unschuld an den Morden entschieden wurde, aber das war auch alles. Warum überdachte er die ganze Situation überhaupt? Sie war nur eine Frau, wie all die anderen auf der Welt.
Sobald er sich fest dazu
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