Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)
Klinge in Whitechapel hinterlassen hatte, und auch von Elenas sauberen Nähten. Die Haut um sie herum war immer noch feucht und rosig, wo er das Gift herausgesaugt hatte. Sie lachte trocken. »Würde es Sie überraschen, wenn ich Ihnen antwortete, dass ich todmüde bin?«
»Es würde mich überraschen, wenn Sie es nicht sagten.«
Sie öffnete die Knöpfe an ihrer Manschette und untersuchte Handgelenk und Unterarm. »Meine Hand und mein Arm sind ein wenig empfindlich, aber da ist keine Lähmung oder Blutvergiftung.« Sie ließ beide Hände in den Schoß sinken. »Danke für das, was Sie getan haben.«
Er zuckte die Achseln.
»Ich entschuldige mich dafür, dass ich Ihre Kleidung …« – er deutete auf seinen eigenen Hals, starrte aber angestrengt auf ihren – »zerrissen habe, aber ich dachte, Sie würden sterben.«
Selene zupfte ihr zerrissenes Mieder zurecht.
Er schaute sich im Raum um und mied ihren Blick. »Angesichts Ihres geschwächten Zustands und Ihrer beeinträchtigten Kräfte wusste ich nicht, wie das Gift auf Sie wirken würde. Ich konnte nur daran denken, wie ich Ihrem Bruder hätte erklären müssen, dass Sie am Biss einer Natter gestorben sind.«
Selene stockte das Herz. Indirekt bezog er sich auf den Tod ihrer Mutter und darauf, dass ihr Dahinscheiden durch eine ähnliche Ursache Mark mit Schmerz erfüllen würde.
Sie räusperte sich. »Wie lange, haben Sie gesagt, ist es her, seit Sie Swarthwick das letzte Mal besucht haben?«
Er spähte zu den Dachbalken hinauf, die von Staub und Spinnweben umgeben zu sein schienen. »Offenbar länger, als ich dachte. Ich habe immer einen Verwalter gehabt, aber nachdem der letzte gestorben ist, habe ich es versäumt, einen weiteren einzustellen.«
Genau in dem Moment entdeckte Selene einen großen Raben, der auf einem Dachbalken hockte und auf sie herabblinzelte. Die Legenden erzählten von Raben, die im Tower von London residierten. Die Legenden erzählten auch, dass England fallen würde, falls ihnen irgendetwas zustieß. Ohne zu fragen, wusste sie, dass der Vogel Rourke gehörte.
Aus dem Flur erklangen Schritte. Shrew erschien; er trug einen irdenen Krug in einer Hand und ein Klafter Holz in der anderen. Rourke nahm ihm den Krug ab. Er entfernte den Korken und reichte ihn Selene. Sie schnupperte und stellte fest, dass der Inhalt nach nichts roch.
»Es ist Wasser«, bestätigte er.
Sie hob die Öffnung an die Lippen und trank in langen, tiefen Zügen. Schließlich, als sie sich sattgetrunken hatte, gab sie ihm den Krug zurück und ließ sich auf das Sofa sinken. »Sie brauchen einen Leeson?«
»Einen was?« Fragend zog er die Augenbrauen hoch.
»Einen Leeson. Es gibt natürlich nur einen Leeson, und er ist Attaché bei Lord Black. Er ist ein persönlicher Sekretär. Er regelt Probleme wie dieses« – sie sah sich vielsagend im Raum um – »und das mit erstaunlicher Schnelligkeit.« Dann murmelte sie leise: »Das heißt, wenn er mich nicht gerade quält.«
Shrew stapelte das Holz im Kamin auf. Über die Schulter hinweg grinste er sie an. »Mal sehen, ob wir dieses Gerät, das die Ahnen beigesteuert haben, in Gang bringen und fragen können, ob wir unseren eigenen Leeson haben können. Ich wäre sehr dafür, dass wir das tun.«
»Das die Ahnen beigesteuert haben?«, fragte Selene. Sie war stets interessiert an neuen Geräten, vor allem an jenen, die die Ahnen zur Verfügung stellten.
Nachdem er Shrew einen scharfen Blick zugeworfen hatte, ignorierte Rourke ihre Frage geflissentlich. »Ich fürchte, wir können uns nur auf uns selbst verlassen, zumindest für den Moment. Auf jeden Fall werden wir heute Nacht hier bleiben und uns morgen früh ansehen, in welchem Zustand sich der Rest des Gebäudes befindet.«
»Ich werde gehen und Tres helfen, die Pferde und die Kutsche unterzustellen«, sagte Shrew und ließ sie wieder allein.
Selene schaute sich im Raum um. Obwohl sie ihre samtene Reisetasche erspähte, sah sie ihren Korb nirgendwo. »Wo ist Mrs Hazelgreaves?«
»Wer? Oh. Die Schlange. Eingedenk der Tatsache, dass sie die Giftzähne in Sie hineingebohrt hat, habe ich Tres Anweisung erteilt, den Korb draußen zu lassen.«
»Draußen?« Selene richtete sich auf. Ihr Blick schoss zu ihrer Bluse, die durch ihre plötzliche Bewegung wieder weit aufklaffte. Sie zog die Ränder zusammen, nicht aus Züchtigkeit, sondern weil sie der Meinung war, dass ihr Geschlecht und ihre gegenwärtige Schwäche in dieser Situation gegen sie arbeiten würden.
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