Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)
sich der Ladenbesitzer.
»Ja.«
»Der Pfarrer hat uns erzählt, dass Sie zurückgekehrt sind. Einige befürchteten, Sie hätten beschlossen, den Besitz zu verkaufen. Es wäre eine Schande, den Namen Avenage zu verlieren, nach all diesen Jahrhunderten.« Der eifrige Blick des Mannes wanderte zu Selene. »Und Sie, liebreizendste aller Damen, müssen …«
Selene streckte ihre behandschuhte Hand aus, die er küsste.
»Meine verwitwete Schwester«, stellte Rourke sie vor. »Die Gräfin Pawlenko.«
»Verwitwet?« Der Ladenbesitzer spähte empor, und die Haut um seine Augen fältelte sich voller Mitgefühl. »In einem so jugendlichen Alter? Sehr, sehr tragisch.«
»Vielen Dank, Sir.«
»Ich bin Mr Harbottle. Sie müssen gekommen sein, um Vorräte zu kaufen.«
»In der Tat.« Selene zog einen schmalen Zettel aus ihrer bestickten Samttasche. »Außerdem wollte ich mich nach Hannah erkundigen, der Kesselflickerin. Wir haben gehört, dass ihr Wagen gefunden wurde. Was ist mit Hannah selbst?«
Mr Harbottle runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Sie ist nicht gefunden worden. Ich muss Ihnen jedoch sagen, dass ich wider besseres Wissen die Hälfte ihres Wagens mit Gegenständen aus meinem Laden befüllt habe, weil sie mich davon überzeugt hatte, dass sie sie auf ihrer Fahrt verkaufen und mir einen hübschen Gewinn verschaffen könne. Ich bin mir nicht sicher, ob ich um das Mädchen bangen oder mich darüber ärgern soll, dass sie sich mit meinen Waren aus dem Staub gemacht hat. Ob sie von der Strömung des Flusses mitgerissen wurden oder anderweitig abhandengekommen sind, werde ich vielleicht niemals erfahren. Aber jetzt zum Geschäftlichen.«
Er nahm Selene die Liste ab und bewunderte sie, als sei sie eine Medaille, die ihm verliehen wurde, doch während er las, schnalzte er mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, wir haben nichts davon. Oder davon. Wir haben kein Fitzelchen von dem hier.«
Rourke nickte und hörte kaum, was der Mann sagte. Selene schlenderte durch den Laden und betrachtete Gegenstände in den Glasvitrinen. Die Bewegung ihrer gestärkten Tafttournüre zog seine Blicke an. Er hatte immer gedacht, dass Tournüren eine lächerliche Erfindung seien und niemals ihren Zweck verstanden.
Jetzt verstand er ihn.
Er schluckte hörbar und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Mr Harbottle. »Ich benötige außerdem eine Köchin und eine Haushälterin. Zwei oder drei Dienstmädchen und darüber hinaus einen Hausdiener. Am besten wäre es, wenn sie auf Swarthwick wohnen könnten. Ab heute.«
Wenn nötig, würde er all ihre Betten im Flur aufstellen, zwischen seinem Zimmer und dem Selenes.
»Wissen Sie, wo wir herausfinden könnten, wer aus dem Dorf für solche Arbeiten zur Verfügung stünde?«, fragte Selene.
Mr Harbottle schüttelte den Kopf. »Wir sind ein kleines Dorf voller Bauern und Hirten. Die meisten möchten, dass ihre Frauen zu Hause bleiben.«
Hinter der Schulter des Ladenbesitzers verdrehte Selene die Augen und äffte ihn kaum hörbar nach: »Dass ihre Frauen zu Hause bleiben.«
Als habe er etwas gespürt, drehte er sich zu ihr um. »Kann ich Ihnen mit etwas dort in der Vitrine helfen, Euer Gnaden?«
»Nein, Sir.« Sie lächelte strahlend und strich mit ihrer behandschuhten Hand über den polierten Holzrahmen. »Ich bewundere nur Ihre Auswahl an Haushaltswaren.«
Der Ladenbesitzer lachte leise. »Ich bin mir sicher, dass Sie einen Haushalt hervorragend zu führen wissen.«
»Oh, aber ich kann es nicht allein tun.« Sie kam näher. »Die Festung ist so lange vernachlässigt worden. Unsere Eltern haben sich niemals dafür interessiert. Wir waren überrascht, als wir festgestellt haben, dass alles immer noch in den Lagerräumen steht und nicht von Dieben weggeschafft wurde.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Das liegt daran, dass die Diebe hier aus der Gegend glauben, in der Festung spuke es.« Er kicherte. »Aber natürlich wissen Sie alles über die Tragödien Ihrer Vorfahren, besser als ich.«
Rourke runzelte die Stirn.
Selene lächelte. »Es muss viel auf dem Besitz getan werden. Putzen, Möblieren und Näharbeiten. Wissen Sie, die Geister haben klargemacht, dass sie überhaupt nicht bereit sind, behilflich zu sein.«
Mr Harbottles Wangen färbten sich rosig, er gluckste über ihren Scherz.
Sie tippte mit einer Fingerspitze gegen das Holz. »Sind Sie sich sicher, dass Sie niemanden im Dorf wissen, den Sie empfehlen können? Wir denken, dass wir nur für wenige
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