Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)
verletzt?« Er legte jedem der Mädchen sanft eine Hand auf die Schulter.
Hannah und Kate sahen Silverwest mit geröteten, tränenüberströmten Augen an, aber mit solch offensichtlicher Anbetung, dass Rourke sich die eigenen Augen ausstechen wollte. Selene, wenn auch reservierter, tat das Gleiche.
Er atmete aus. Es war lächerlich, zornig darüber zu sein, dass Silverwest genau das getan hatte, was er selbst vorgehabt hatte. Der Mann sollte belobigt werden.
Rourke schluckte seinen Stolz herunter und streckte die Hand aus. »Gut gemacht, Silverwest. Danke.«
Silverwest schüttelte Rourkes Hand. »Ich habe ihn gesehen und wie er die Mädchen an den Haaren gezogen hat und … ich habe einfach den Verstand verloren. Ich wünschte nur, ich wäre früher da gewesen. Wie kann man nur Kindern oder Frauen gegenüber so gewalttätig sein?«
Rourke nickte. »Morgen früh werde ich nach York reisen, um mit den Behörden zu sprechen. Man muss unterbinden, dass er den Kindern oder irgendjemandem sonst noch einmal wehtut.« Außerdem hatte er Nathans Enthüllung im Sinn, dass sein Stiefvater für den Tod seiner Mutter verantwortlich war. Er hatte dem Jungen und seinen Schwestern ein wenig mehr Zeit geben wollen, bevor er sie in die Lage brachte, gegen ihren Stiefvater aussagen zu müssen, aber der Zwischenfall dieses Nachmittags verlieh der Angelegenheit Dringlichkeit.
»Einverstanden. Ich werde mit Ihnen reiten, wenn Sie es wünschen.« Silverwest sah Selene an. »Aber was diesen Moment eben betrifft, muss ich der Gräfin für ihre Tapferkeit und Selbstlosigkeit Bewunderung zollen. Mir schaudert bei dem Gedanken, wie nah sie dem Tod war, als sie sich so vor die Mädchen geworfen hat.« Er ergriff ihren Ellbogen. »Haben Sie gesehen, wie gefährlich nah die Messerklinge Ihrer Brust gekommen ist? Ihrem Herzen, Gräfin?«
Für einen Moment wirkte Selene überrascht. Ihre Schultern entspannten sich. »Ich bin einfach erleichtert, dass die Mädchen in Sicherheit sind.«
Die Menge um sie herum zerstreute sich langsam. Mrs Thrall kam herbeigeeilt, und ihr Gesicht war bleich. »Ist irgendjemand verletzt?«
»Ehrlich, geht es allen gut?«, fragte Silverwest und berührte jedes der Mädchen am Kopf.
Alle nickten.
Mrs Thrall strich ihnen über das sandfarbene Haar und entwirrte die Knoten, die ihr Stiefvater verursacht hatte.
An Selene gewandt sagte Silverwest: »Sie sind wirklich außergewöhnlich, wissen Sie das?« Seine Augen glühten vor Bewunderung.
Leeson und Nathan kamen nun ebenfalls herbeigelaufen.
»Wir haben einen Aufruhr gehört«, sagte Leeson.
»Das war er, nicht wahr?« Nathan starrte erschüttert zu der Straße hinüber, über die der Wagen verschwunden war.
Rourke spähte ebenfalls zum Ortsrand hinüber. »Ich glaube nicht, dass er zurückkommen wird.«
Silverwest legte die Arme um die Schultern der drei Geschwister. »Was sagt ihr alle zu einem Punsch? Die Runde geht auf mich.«
Er führte sie in Richtung des Tisches des Lebensmittelhändlers, wo Mr Harbottle und seine Frau Getränke und selbstgekochtes Essen an die Dorfbewohner verkauft hatten.
Leeson schaute zu Rourke auf. »Das scheint ja ein ausgesprochen netter Kerl zu sein.«
Rourke schloss die Augen und nickte.
Eine Stunde später gesellte sich Rourke wieder der glücklichen Gruppe zu. Hannah und Kate hatten ihre Münzen für Bänder für ihr Haar ausgegeben, und Nathan musterte alles und jeden durch sein neu erworbenes Teleskop. Selene saß zwischen Mr Silverwest und Mrs Thrall auf einer großen, rot-weiß karierten Decke.
Als er Leeson das letzte Mal gesehen hatte, hatte der alte Mann unverschämt mit der jüngeren der beiden grauhaarigen Eierdamen geflirtet.
Rourke spähte zum verblassenden Abendlicht empor und hockte sich neben Selene. »Wir sollten lieber nach Swarthwick zurückkehren. Es wird bald dunkel sein.«
Leise, sodass nur er es hören konnte, antwortete sie: »Können wir nicht noch ein kleines Weilchen bleiben? Sie können im Dunkeln sehen. Leeson ebenfalls.«
»Tun wir lieber so, als seien wir Sterbliche«, sagte er. Er neigte den Kopf in Richtung der Straße. »Sehen Sie? Alle gehen zu ihren Wagen.«
»Ich fürchte, Sie haben recht.« An die anderen gewandt fügte sie hinzu: »Alle mal herhören, es wird langsam spät. Zeit für uns, nach Swarthwick zurückzukehren.«
Zusammen standen sie auf, und Selene und Mrs Thrall – oder Dora, wie alle sie unbedingt nennen sollten – falteten die Decke zusammen. Als alle ihre Hüte
Weitere Kostenlose Bücher