Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)
Stolz nicht mehr die alleinige Macht über ihn.
»Verfolgen Sie ihn.« Archer schob die Arme unter Elena und hob sie vom Sessel. »Jagen Sie den Mistkerl und nehmen Sie als Zeichen meiner Dankbarkeit, was immer Sie an Anerkennung von den Schattenwächtern bekommen. Ich bringe Elena nach Hause.«
Elena klammerte sich an Archer, während er die Tür auftrat und den Kopf einzog. Er trug sie zu einer Kutsche. Auf dem Kutschbock ließ Leeson die Stirn auf die gefalteten Hände sinken, als sei er dankbar dafür, dass sie lebend herausgebracht worden war. In seinen Augen glänzte Feuchtigkeit. Er sprang herunter, öffnete den Wagenschlag und zog schnell die Stufen aus. Archer stieg ein.
Elena fest an sich gedrückt wie einen kostbaren Schatz, ließ er sich auf den Ledersitz fallen. Die Tür schloss sich hinter ihnen.
Archers Hände glitten über sie hinweg und berührten sie hektisch überall – ihre Brüste, ihren Bauch, ihre Beine –, als müsste er sich überzeugen, dass sie keine Schnittwunden hatte oder ihr ein Glied fehlte. Er knurrte, dann strich er mit dem Daumen über die Stelle, wo der Ripper die Linie auf ihren Hals gezeichnet hatte. Plötzlich waren seine Hände in ihrem Haar, und seine Lippen pressten sich auf ihren Mund.
Elena keuchte überwältigt.
Er lehnte sich zurück, wobei er sie immer noch in den Armen wiegte, und starrte in ihre großen Augen.
»Was ist los?«, fragte er.
»Deine Augen«, flüsterte sie. »Deine Haut …«
Die Erkenntnis traf Archer mit Macht. Er war so verzweifelt auf ihre Sicherheit bedacht gewesen, dass er vor Elena überstürzt gesprochen und gehandelt hatte. Sie hatte alles gehört, was er und die beiden anderen Schattenwächter besprochen hatten. Und das Schlimmste von allem: Er hatte sich ihr offenbart, in all seiner ungeheuerlichen Pracht.
Er fasste sie an den Schultern und stieß sie von sich. Er hatte nichts, um sich zu beschirmen, keinen Hut, keine dunkle Brille, und so bedeckte er die Augen mit den Händen.
»Sieh mich nicht an.«
Mit quälender Anstrengung zwang er sich, seine Empfindungen zu lösen. Von diesem Augenblick. Von Elena. Er hatte sich gestattet, ihr zu nahezukommen. Seine Welt war in tausend Stücke zerbrochen. Wie konnte er sie so erschrecken und sie noch einmal in diese Situation bringen? Es war, als stünden sie wieder auf dem Dach dieses verfallenen Mietshauses, und die letzten zwei Jahre, die letzten sechs Wochen, alles zerfiel zu Nichts.
Sie umfasste seine Handgelenke.
»Tu das nicht. Versteck dich nicht vor mir«, beharrte sie, aber er hörte die Furcht in ihrer Stimme.
Er machte Elena Angst, und sie hatte nicht einmal die Hälfte von dem gesehen, wozu er fähig war. Er erlaubte ihr, seine Hände wegzudrücken.
In der vergangenen Nacht waren sie ein Mann und eine Frau gewesen, beinahe Liebende. Jetzt, im kalten Licht des Tages, war sie sterblich – und er war ein unsterbliches Ungeheuer.
»Ich werde es dich vergessen lassen«, schwor er.
»Warum?«, stieß sie hervor, als sie seine Worte hörte. »Warum? Hast du mich schon früher einmal etwas vergessen lassen?«
Langsam breitete sich Verstehen in ihren Zügen aus.
»Ja, nicht wahr? Du bist der Grund, warum ich meine Erinnerungen verloren habe.«
Plötzlich schlug sie mit der geballten Faust gegen seine Schulter. »Wag es nicht. Wage es nicht, mich dazu zu bringen, zu vergessen.« Sie schlug ihn wieder. »Gib mir meine Erinnerungen zurück, du verdammter Kerl!«
»Ich kann nicht. Ich werde es nicht tun.«
Ihre Verzweiflung brandete gegen ihn.
»Was bist du, Archer?«, fragte sie plötzlich. »Engel oder Teufel?«
Seine Lippen verzogen sich zu einem gequälten Lächeln, dann lachte er hohl. »Ich weiß es nicht mehr.«
»Ich bin es, Archer. Ich, Elena. Es schert mich nicht, was du bist. Rede einfach mit mir. Tu nicht so, als bedeutete ich dir nichts.«
»Es ist vorbei mit uns.«
Tränen trübten Elenas Blick. »Nachdem wir so weit gegangen sind? Weil ich dich so gesehen habe? Weil ich deine Geheimnisse kenne?«
Sie blinzelte die Tränen weg, Härte legte sich über ihre Züge.
»Ich mache das nicht länger mit. Es tut zu weh. Ich kapituliere.« Sie zog sich so weit von ihm zurück, wie die Bank es zuließ, und ihre Brüste hoben und senkten sich unter dem Mieder ihrer Tracht. »Aber du wirst mir meine Erinnerungen an dich nicht nehmen. Ich will mich an dich erinnern, wenn ich Harcourt heirate. Ich will mich an dich erinnern, wenn ich in seinem Bett schlafe …« Ihre
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