Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)
ging an den Wänden entlang, erfüllt von Entsetzen und Neugier. Welche Art von Geschöpf verspottete sie von dort oben? Sie verspürte den brennenden Wunsch, ihn oder sie mit eigenen Augen zu sehen.
Zum ersten Mal fragte sie sich, ob der Ripper vielleicht nicht ganz menschlich war. Aber wenn nicht menschlich, was dann?
»Was werden Sie mit mir machen?«
»Mich vergnügen.«
Der Schatten huschte am Rand des Brunnenschachts entlang. Etwas Dunkles und Weiches flatterte um sie herum zu Boden. Elena schnappte nach Luft und wich dem Zeug aus.
Rosenblätter. Dunkelrote Rosenblätter.
Sie begriff, dass es nicht die ersten waren, die sie von diesem Ungeheuer erhalten hatte.
Er knurrte, klang jetzt eher wie ein Tier denn wie ein Mann. »Ich will Sie gar nicht wirklich, verstehen Sie. Sie sind mit Ihrem hübschen Haar und Ihren weißen Zähnen so gar nicht nach meinem Geschmack. Obwohl ich Sie sehr interessant finde … die zukünftige Frau Doktor. Ich glaube nicht, dass Sie heilen könnten, was mit mir nicht stimmt. Könnten Sie in mein Innerstes schauen, würden Sie feststellen, dass nichts übrig geblieben ist, mit dem Sie arbeiten können.«
»Wenn Sie mich nicht wollen, warum bin ich dann hier?«
Die Blütenblätter wurden jetzt mit vollen Händen geworfen. »Weil er Sie will. Verstehen Sie, ich spiele gern Spielchen. Mein Meister bittet mich darum.«
Die Blütenblätter waren jetzt schwerer und nass. Sie rochen faulig. Sie trafen sie am Kopf und an den Schultern, große, stinkende Kleckse. Sie wischte sie ab und merkte, dass sie ihre Hände befleckten … mit Blut?
Etwas klirrte neben ihr auf den Steinboden. Eine verrostete Metallkugel von der Größe eines Krocketballs. Beißender, gelber Rauch drang aus dem Innern. Elena ging auf die Knie und bedeckte die Kugel mit Zeitungen und Lumpen. Eine weitere kam herunter und traf auf eine Tonscherbe. Klirr. Und noch eine. Der schmale Raum füllte sich mit Rauch. Obwohl sie die Hände auf Mund und Nase legte und versuchte, sie so gut wie möglich abzuschirmen, schnürte sich ihre Kehle von dem brennenden Zeug zusammen. Ihre Augen tränten zu sehr, um etwas zu sehen. Von Schwindel befallen sackte sie gegen die Wand.
»Nein«, flehte sie leise. Verlier nicht das Bewusstsein. Der Ripper würde mit ihr gewiss machen, was er mit Catherine gemacht hatte. »Nein … nein … nein.«
»Keine Sorge, mein Liebling«, hörte sie ihn sagen. »Ich habe etwas ganz Spektakuläres für Sie geplant. Ich will Sie nur einfach nicht schreien hören.«
Steine rollten in ihrem Kopf hin und her. Etwas packte schmerzhaft ihre Schultern und zwickte sie in die Wange. Etwas mit Fingernägeln. Sie würde so viel lieber schlafen, als angegriffen zu werden.
»Autsch«, beklagte sie sich schließlich.
»Sie lebt«, verkündete eine Frauenstimme, die beinahe enttäuscht klang.
»Aus dem Weg, Selene.«
Elena öffnete die Augen.
Ein Gesicht verdrängte das von Selene. Mark. Er sah gut aus. Aber nicht so gut wie Archer. Sie hörte das Knirschen von Scherben und das Rascheln von Zeitungsblättern, als sie sich bewegten.
»Ms Whitney, geht es Ihnen gut?«
Sie fühlte sich so schwach und unpässlich. Sie konnte kaum die Augen offen halten. Doch sie war hinreichend bei Bewusstsein, um zu wissen, dass sie in Sicherheit und nicht mehr in den grausamen Fängen des Rippers war.
Sie murmelte: »Ich fühle mich schon besser.«
Mark hob sie hoch, und ihr Kopf fiel auf seine muskulöse Schulter. Im Museum hatte sie den deutlichen Eindruck gewonnen, dass Archer und Mark einander nicht mochten. Vielleicht sollte sie Archer gegenüber eine gewisse Loyalität zeigen, aber in diesem Moment verspürte sie nichts als Bewunderung für den Mann. Sie schlang die Arme um seinen Hals.
Selene keuchte auf. »Sie hat einen Schnitt an der Kehle.«
Verfluchter Ripper. Er hatte sie verletzt.
Seltsam. Sie spürte keinen Schmerz.
Aber lieb von Selene, sich darum zu kümmern.
Warme Fingerspitzen strichen über ihre Haut. »Nein. Es ist nur Farbe. Der Mistkerl hat eine Linie über ihre Kehle gezeichnet, um uns zu zeigen, was er ihr hätte antun können.«
Mit drei merkwürdigen Schritten trug Mark sie die hohe Mauer des Brunnenschachts hinauf. Eine solche Leistung war Menschen unmöglich, aber offensichtlich spielte ihr Verstand ihr Streiche, was an diesem abscheulichen gelben Rauch liegen musste.
»Gott sei Dank, dass wir sie gefunden haben.« Seine Stimme vibrierte in seiner Kehle. Sie spürte die Bewegung an ihrer
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