Shadow Killer - Und niemand hoert deinen Schrei
Renovierung des Theaters mitgewirkt. Wahrscheinlich als Maurer, das war schließlich sein Job. Der sich aufdrängende Verdacht und ihr Instinkt als Polizistin rangen mit der Liebe zu einer toten jungen Schwester.
Dann aber kniff sie die Augen zu und wurde wieder ganz der Cop.
Selbst wenn sie auf diesem Weg an einen Ort gelangte, an den sie sich lieber nie begeben würde, ginge sie den Spuren weiter nach.
6
Becca öffnete die Wohnungstür und warf die Schlüssel und die Tasche auf den Tisch. Ohne Licht zu machen, nahm sie eine Flasche Glenmorangie Single Malt Scotch Whisky aus dem Schrank und schenkte etwas davon in ein kleines Glas. Am liebsten hätte sie Santiago angerufen, aber dafür war es zu spät, und vor allem hätte sie ab morgen – während des erzwungenen Urlaubs – jede Menge Zeit für ein Gespräch. Deshalb warf sie sich, ohne sich auch nur umzuziehen, mit ihrem Whisky auf die Couch und starrte aus dem Fenster ihrer dunklen Wohnung auf den gleichfalls dunklen Riverwalk.
Gedämpftes Licht fiel durch das Glas, mischte sich mit dunklen Schatten und bildete ein pastellfarbenes Kaleidoskop auf dem Teppich und den Wänden des Raums.
Die Zweige der Zypressen, die in der schwachen Brise schwankten, sorgten dafür, dass sich die Farben über ihren Körper schlängelten.
Hypnotisierend, dachte sie und nahm einen Schluck von ihrem Scotch. Er riss sie kurzfristig aus ihrer Lethargie, denn er verbrannte ihr den Hals, doch nachdem die Wärme sich in ihrer Brust und ihren Armen ausgebreitet hatte, sank sie abermals ermattet auf die Couch.
Die Geräusche von der Straße kamen Becca wie der dumpfe, unregelmäßige Pulsschlag San Antonios vor. Sie klappte die Augen zu und dachte an die Ereignisse des Tages und an die Gesichter von Danielle und Isabel zurück. Am stärksten spürte sie die Trauer, wenn sie – wie im Augenblick – allein im Dunkeln saß. Als sie die Augen wieder aufschlug, rann ein dichter Strom von Tränen über ihr Gesicht. Die warme Luft im Zimmer ließ sie sofort wieder trocknen, rief jedoch ein leichtes Kribbeln auf Rebeccas Wangen wach.
Entschlossen leerte sie ihr Glas und erhob sich, um sich nachzuschenken, als ihr Blick auf etwas Weißes fiel.
Eine weiße Rose, deren grüne Blätter in der Brise flatterten, lag direkt vor ihrem Fenster auf dem Sims. Eine zweite Rose lag in Augenhöhe auf der Feuertreppe, damit sie sie ja nicht übersah.
Ihr Herz schlug einen Purzelbaum.
»Diego«, stieß sie flüsternd aus.
Sie fühlte sich viel zu zerbrechlich, um dem Einfluss dieses Mannes dauerhaft zu widerstehen. Gleichzeitig wünschte sie sich mit aller Macht, er stünde oben auf dem Dach.
Sie marschierte in die Küche, genehmigte sich eine zweite Dosis Mut machenden Alkohols und verzog, als der Scotch erneut in ihrer Kehle brannte, angewidert das Gesicht. Dann trat sie ans Fenster, atmete tief durch und schob die Scheibe hoch. Kein noch so großes Maß an Selbstbeherrschung bremste die Erregung, die sie urplötzlich empfand. Das wilde Pochen ihres Herzens sprengte ihr beinahe die Brust.
Becca hob die erste Rose auf, schob sich durch das Fenster auf die Leiter und bemerkte, dass auf jeder Treppenstufe eine Rose lag. Sie folgte den Blüten mit den Augen bis hinauf zum Dach, und sah die weißen Lichter der Girlande, die in ihrem Garten hing. Anscheinend hatte er die weißen Lämpchen, die entschlossen mit den Sternen um die Wette strahlten, angemacht.
Aber Becca hatte eigene Pläne mit dem Kerl. Die hatten nichts mit Rosen und mit einer sternenklaren Nacht zu tun.
Diego war die Dunkelheit vertrauter als das helle Licht, und so hatte er sich außerhalb des Scheins der Lämpchen dicht neben der Mauer aufgebaut. Beinahe das ganze Dach war mit Tonplatten belegt, doch in diesem Teil des Gartens knirschten Sand und feiner Kies unter den Sohlen seiner Boots.
Er fuhr mit den Fingerspitzen über das Gewächshaus, das in einer Ecke stand. Hatte sie das etwa selbst gebaut? Er empfand Bewunderung für diesen wunderhübschen kleinen Garten, der bestimmt ein Ort des Rückzugs für sie war.
Er legte den Kopf ein wenig schräg, als er hörte, dass sie aus dem Fenster ihrer Wohnung stieg, blickte abwartend in Richtung Feuertreppe und kämpfte dabei gegen das wilde Klopfen seines Herzens an.
Verdammt, Galvan, du benimmst dich wie ein kleines Kind. Reiß dich endlich zusammen, ja? Er öffnete den Reißverschluss von seiner braunen Lederjacke, stopfte beide Hände in die Taschen seiner Jeans und hoffte, er
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