Shadow Killer - Und niemand hoert deinen Schrei
mich nicht daran erinnern, dass ich irgendwelchen Stoff in dem Loch gefunden hätte, in dem die Knochen lagen. Haben Sie dazu irgendwelche Theorien?«
»Es besteht die Möglichkeit, dass der Körper ohne Kleider dort begraben wurde, aber ich halte es für wahrscheinlicher, dass der Stoff im Verlauf der Zeit einfach verwittert ist. Sie gehen davon aus, dass dieses Mädchen vor sieben Jahren verschwunden ist, richtig?« Als Becca nickte, fuhr Sam fort. »Wir haben Hinweise auf Nagetiere in der Gruft gefunden. Was ein weiterer möglicher Grund für das Verschwinden des Stoffes ist. Diese Viecher kriegen das Material ziemlich schnell klein.«
»Na, wunderbar. Ich hasse Ratten.«
Sie erschauderte, und Sam sah sie mit einem schiefen Grinsen an. »Vor allem die zweibeinige Art. Aber wie dem auch sei – das ist alles, was wir bisher haben.«
»Rufen Sie mich an, wenn Sie noch etwas finden? Am besten auf meinem Handy, da bin ich immer zu erreichen.«
»Ja, sicher. Charlie und ich müssen noch eine Liste der Knochen erstellen, sie messen und sie auf ihren genauen Zustand untersuchen. Aber sobald wir etwas finden, rufe ich Sie an.«
Becca hätte ihnen sagen sollen, dass sie von dem Fall abgezogen worden war, doch sie tat es nicht. Vielleicht verschaffte es ihr ja einen gewissen Vorsprung, wenn sie es für sich behielt.
Es gab noch einen zweiten Grund dafür, dass sie nicht völlig ehrlich war. Murphy hätte durchaus die Gelegenheit gehabt, zu der Besprechung zu erscheinen, doch er hatte keinerlei Interesse an diesem Termin gezeigt. Wenn die Knochen auf dem Tisch wirklich Isabel Marquez gehörten, würde ihre Akte sicher abermals in irgendeiner Schublade verschwinden, dachte sie. Weil die Jagd auf einen Kerl wie Cavanaughs einfach prestigeträchtiger war.
Dann würde der Mörder dieses Mädchens vielleicht nie identifiziert. Doch sie durfte nicht zulassen, dass das geschah. Nachdem sie bei den Marquez gewesen war, war sie es ihnen schuldig herauszufinden, was geschehen war.
Sie zog den grünen Kittel aus, streifte sich die Handschuhe von ihren Fingern und wandte sich zum Gehen.
»Ich bringe die DNA-Probe so schnell es geht vorbei. Also dann, bis später, Jungs.«
Eilig warf sie Handschuhe und Kittel in einen Eimer vor der Tür. Bevor sie mit den Marquez-Brüdern sprechen könnte, hatte sie noch alle Hände voll zu tun.
Hauptrevier
Innenstadt San Antonio
Der an den Verhörraum Nummer fünf angrenzende Raum lag in vollkommener Dunkelheit. Durch den von einer Seite durchsichtigen Spiegel fiel ein bleiches Licht auf Becca, die allein im Dunkeln stand und auf die Brüder Marquez blickte, die im Nebenzimmer darauf warteten, dass sie endlich erschien. Einer der Kollegen von der Spurensicherung hatte bereits ihre DNA-Proben genommen, jetzt wartete Becca einfach ab. Beide Männer wirkten leicht nervös, und Becca lauschte der Unterhaltung, die gedämpft durch die Gegensprechanlage drang.
»Halt dich möglichst bedeckt. Falls du irgendwelche Zweifel hast, ob du etwas sagen sollst, hältst du besser den Mund. Sieh mich einfach an. Ich werde dir sagen, was du machen sollst.«
Victor saß in seinem Priesterhabit stocksteif auf seinem Stuhl und sprach mit leiser, eindringlicher Stimme auf den Bruder ein. Er sprach beinahe, ohne die Lippen zu bewegen, und sah Rudy höchstens aus den Augenwinkeln an.
»Ich brauche dich hier nicht, Victor. Du hättest mich alleine kommen lassen sollen.«
Rudy rollte mit den Augen und flegelte sich breitbeinig auf seinen Stuhl, der Priester aber ging gar nicht auf seine Worte ein.
»Keine Sorge. Wenn wir einen Anwalt brauchen, kenne ich jemanden, der uns vielleicht gratis hilft.«
»Man kriegt immer das, was man bezahlt, Bruder.«
Victor antwortete nicht. Er schloss kurz die Augen und atmete tief ein. Dann reckte er das Kinn und behielt, wahrscheinlich in der Hoffnung, den jüngeren Bruder zu beruhigen, seine ausdruckslose Miene bei. Rudys Reaktion jedoch machte Becca deutlich, dass er nicht so einfach zu beruhigen war. Er vermied es, seinen Bruder anzusehen, rutschte nervös auf seinem Stuhl herum und blickte immer wieder Richtung Tür.
Trotz seiner Nervosität sahen seine dunkelbraunen Augen wie die eines Kindes aus. Er hatte einen, wie sie dachte, unschuldigen Bick und sah damit aus wie seine Schwester Isabel. Er trug noch die verblichenen Jeans sowie das schwarze San-Antonio-Spurs-T-Shirt, in dem er wahrscheinlich arbeiten gegangen war, und sah aus, als hätte er kaum Zeit zum
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