Shadow Touch
schlief ebenfalls ein, getröstet von seiner Wärme.
13
Sie wachte allein auf. Das Bett war kalt. Artur stand am Fenster. Draußen war es zwar dunkel, aber er hatte den Vorhang zurückgezogen. Er trug kein Hemd und hielt das Mobiltelefon in der Hand.
»Du siehst nicht glücklich aus«, sagte sie.
»Das Telefon, das Mikhail mir gegeben hat, funktioniert nicht. Ich bekomme kein Netz. Ich muss warten, bis wir eine Stadt erreichen, dann versuche ich es wieder.«
»Wolltest du deine Freunde anrufen?«
»Ja. Sie müssen erfahren, dass die Agentur aufgeflogen ist. Außerdem können sie uns helfen, wenn wir Moskau erreichen.«
»Muss nett sein, solche Freunde zu haben. Wie habt ihr euch kennengelernt?«
Artur legte das Handy auf den kleinen Klapptisch unter dem Fenster und kroch zu ihr ins Bett zurück. Elena strich mit der Hand über seine glatte, feste Brust. Ihn zu berühren fühlte sich so gut an.
»Dirk und Steele wird von zwei Leuten geführt, Roland Dirk und Nancy Steele. Beide sind entfernte Verwandte der ursprünglichen Gründer und außerdem sehr mächtige Mutanten. Im Lauf der Jahre haben sie ein gewaltiges Netzwerk von Kontakten über die ganze Welt gespannt, von Menschen, die dafür bezahlt werden, ihnen alle möglichen Gerüchte zuzutragen, und zwar ungewöhnliche Gerüchte. Von Menschen, die zu bemerkenswerten Dingen in der Lage sind. Es ist allerdings nicht einfach, auf diese Art Leute wie uns aufzuspüren. Meistens ist es nur Glück, aber dann zahlt es sich aus. Und manchmal erhaschen die Hellseher in der Organisation, die Leute, die etwas aus der Zukunft sehen können, die Personen, die wir finden sollen. So wie bei mir, zum Beispiel ...«
»Sie hatten eine Vision?«
»Nancy Dirk, die Gründerin der Agentur, wusste, wo und wie ich zu finden war. Leicht war es nicht. Tatyana lag im Krankenhaus und ich trieb mich wieder auf der Straße herum. Roland Dirk hat mich mitten im Moskauer Winter auf einer Straße gefunden - schlafend. Er wusste nicht so genau, was er von mir halten sollte.«
»Ich wette, du musstest nicht lange überzeugt werden.«
»Ganz im Gegenteil. Ich habe erst einen Trick vermutet. Aber Roland ist fast so hartnäckig wie du. Er wollte einfach nicht aufgeben. Es hat ihn eine Woche Überzeugungsarbeit gekostet, während ich weiter auf der Straße lebte, bis er mich von seiner Aufrichtigkeit überzeugt hatte. Außerdem war ich am Ende zu verzweifelt und auch zu hungrig, als dass es mich noch interessiert hätte. Pures Glück, verstehst du? Er brachte mich nach Amerika, suchte mir eine Wohnung, bezahlte mich gut... und ich musste dafür die Art von Arbeit tun, die ich nie für möglich gehalten hätte.«
Bilder und Empfindungen zuckten durch ihren Geist, während er seine Geschichte erzählte: beißende Kälte, der Gestank von Kartons und Müll, Urin, scharfe braune Augen und eine Stimme, die sagte: »Fuck.« Dann Wärme, ein Krankenhauszimmer mit einem vertrauten Gesicht, das mit hasserfülltem Ekel zu ihm hochstarrte, sein gebrochenes Herz, der Gram, und dann dies: »Was bist du für eine Missgeburt,
Artur.« Ein Freak, ein Monster, das in ein anderes Land flüchtete, in eine andere Welt und ... und ...
Sicherheit, Erfüllung. Was für ein Schock. Jahre in dem Glauben, dass es ein Fehler war, eine Illusion, von Roland und den anderen hintergangen worden zu sein. Bis eines Tages das Vertrauen ganz natürlich gekommen war; er wusste, dass es keine Illusion war, sondern die Wahrheit.
»Ja«, sagte Artur. »So unglaublich das auch erscheinen mag, es gibt keinen Hintergedanken dabei. Die Agentur ist, was sie ist.«
»Und du magst sie wirklich? Die Menschen dort?«
»Ja.«
»Also gut. Ja.«
»Ja was?«
»Ja, ich gehe mit dir dorthin. Ich werde bei dieser Agentur mitmachen, falls sie mich haben wollen.« Es klang nach einem neuen Start und war besser als nichts.
Er drückte sie fester an sich. »Du hast immer noch Zweifel. Dein altes Zuhause.«
»Meine Farm. Die Farm meines Großvaters. Und die seines Vaters. Es liegt mir im Blut, Artur. Ich liebe dieses Fleckchen Erde. Für mich ist es das Paradies.«
»Wir werden einen Weg finden«, versprach er. »Wir werden eine Möglichkeit finden, sodass du beides haben kannst.«
»Ich wüsste nicht, wie.«
»Wir sind schon so weit gekommen. Ich glaube, ein paar Wunder können wir noch aus dem Hut ziehen. Darin kennst du dich doch aus, oder?«
Elena lächelte traurig. Artur küsste sie. Er war noch unbeholfener als zuvor. Sie konnte
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