Shadow Touch
Sie glitt mit der Hand nach unten, aber zwischen ihren Körpern war nicht genug Platz, um ihn anfassen zu können. »Noch nicht«, murmelte er.
»Das soll wohl ein Witz sein!«
Er lachte, leise und tief; sie fühlte, wie die Vibrationen durch ihren Körper liefen. Es bereitete ihr Lust. Er streichelte ihr Gesicht, fuhr ihre Linien mit einer Ehrerbietung nach, die ihr den Atem raubte.
»Es ist schon lange her«, flüsterte er.
»Ist das eine Warnung oder ein Versprechen?«
Er lachte wieder. Darauf hatte sie spekuliert. »Du bist so verrucht, Elena.«
»Und gefährlich. Wild ... vor allem.«
»Entzückend.«
Elena nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände und fragte sich, wie viel er von ihr »sehen« konnte, immer noch besorgt, dass er etwas finden mochte, das ihn abstieß. Vielleicht war das auch nur Heuchelei; sie wollte zwar, dass Artur sich wohlfühlte, wenn er sein Innerstes mit ihr teilte, dennoch fürchtete sie sich, dasselbe zu tun.
Aber ich bin hier, dachte sie. Ich bin hier und berühre ihn.
»Ja«, flüsterte Artur. »Wir beide sind hier.«
»Wie tief reicht es?«, wollte Elena wissen. »Wenn wir uns berühren - oder auch nicht —, wie tief reicht diese Verbindung zwischen uns?«
»Bis in unsere Seelen«, erwiderte Artur. »Wir haben etwas geschaffen, als du mich geheilt hast. Wir haben Löcher hinterlassen, die wir dann gefüllt haben.«
»Mit Teilen von uns selbst«, spann Elena den Gedanken fort. »Also ist das hier ganz? Was wir ...« Sie unterbrach sich, als sie in dem, was sie hatte sagen wollen, die Anmaßung erkannte. Artur streichelte ihre Lippen mit seinem Daumen.
»Sag es nur«, forderte er sie zärtlich auf.
»Was wir füreinander empfinden«, hauchte sie. Nicht sie oder er allein, sondern sie beide. Eine Einheit der Gefühle.
Er lächelte sie an. »Als du mir das erste Mal begegnet bist, wolltest du mir nicht ins Gesicht blicken. Warum?«
»Oh.« Elenas Wangen röteten sich noch mehr. »Kannst du meine Gedanken nicht lesen?«
»Ich bin kein Telepath«, erklärte er. »Wenn ich dich berühre, dann >höre< ich manchmal, was du in diesem Augenblick denkst.«
»Ich k ann deine Gedanken nicht hören«, beschwerte sie sich.
»Das ist meine Gabe«, sagte er. »Wechsel nicht das Thema.«
»Daran würde ich nicht mal im Traum denken«, erwiderte Elena und gab dann leiser zu: »Es war, als würde ich in die Sonne blicken.«
»Wie bitte?«
»Deshalb konnte ich dich nicht ansehen. Du warst wie die Sonne. Wenn man sie zu lange anstarrt, dann verbrennt man sich die Augen. Zu hell, zu heiß, zu viel von allem.« Sie holte tief Luft. Plötzlich konnte sie ihm nicht mehr in die Augen sehen. Es war fast wie bei ihrer ersten Begegnung.
Artur berührte ihr Kinn und blickte suchend in ihr Gesicht. Er schwieg so lange, dass sie nervös wurde.
»Ich glaube, das Einzige, was du befürchten musst, ist, dass ich nicht so gut mit Worten umgehen kann wie du.« Er legte seine Handfläche auf ihre und verschränkte dann ihre Finger. »Wir sind es, wir sind tatsächlich da, Elena. Ich habe immer daran gezweifelt, dass ich bei Verstand bleiben könnte - es gibt so vieles in meinem Kopf, das ich nicht will. Aber du ... dich will ich dort haben. Das konnte ich noch von niemandem sagen.«
Das war eine Lüge. Sie erinnerte sich an ihre erste Vision, als sie in seinem Kopf gewesen war. An seinen Körper, der an einen anderen geschmiegt war, an sein geflüstertes Ich liebe dich. Artur schien ihre Gedanken gehört zu haben, denn eine Furche bildete sich über seiner Nasenwurzel. Und sein Blick war schmerzlich, als er sagte:
»Ihr Name ist Tatyana. Wir waren ein Jahr zusammen. Sie war meine ... erste Liebe. In mehr als einer Hinsicht.«
»Oh«, antwortete Elena, und dann, einen Moment später: »Oh!«
»Ja.« Er wirkte verlegen. »Du musst verstehen, Elena, was du und ich erleben, sollte für mich eigentlich unmöglich sein. Ich habe noch nie die längere Berührung einer Person ertragen. Selbst mit Tatyana war es schwierig, aber ich habe sie geliebt. Deshalb habe ich dieses Unbehagen ausgehalten.«
»Was ist passiert?« Elena wollte es wirklich wissen. Es schmerzte sie nicht so, wie sie erwartet hatte, Artur nach seiner früheren Freundin zu fragen. Vielleicht weil seine Augen seine Gefühle so deutlich zeigten, diese so empfindsamen Augen, und weil seine Hand so warm und kräftig war. Weil sie jetzt ebenfalls eine gemeinsame Geschichte hatten, sie beide, weil sie gemeinsame Entbehrungen und Prüfungen
Weitere Kostenlose Bücher