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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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vertraue Ihnen nicht«, erklärte Elena.
    »Niemand vertraut mir«, gab Mikhail gelassen zurück. »Also, nehmen Sie die Waffe.«
    Elena sah Artur an. Er konnte aber gar nichts sagen, und nach einem Augenblick nahm sie die Pistole vorsichtig entgegen.
    »Sie ist noch entsichert«, warnte Artur sie. Ihm gefiel das alles gar nicht, aber obwohl er sie nicht unbedingt allein lasen musste, während er mit Mikhail sprach, brachte er es doch nicht über sich, sie zu dem Gespräch zu bitten. Das wäre in einer anderen Hinsicht ein viel zu großes Risiko. Elena hatte vielleicht einen Teil seiner Vergangenheit akzeptiert, aber es gab noch mehr, sogar viel mehr, und es war Mikhail durchaus zuzutrauen, dass er es zur Sprache brachte.
    »Elena«, Artur streckte seine Hand aus. Sie gab ihm die Waffe, und er legte den Sicherungshebel um. Danach war er in der Lage, etwas unbeschwerter zu atmen. Er gab ihr die Waffe zurück, bevor sie ihm sagen konnte, dass er sie behalten solle. Mikhail würde sich niemals allein mit Artur in einem Zimmer aufhalten, wenn dieser bewaffnet war. Das verbot ihm sein Selbsterhaltungstrieb. Artur hätte Mikhail zwar auch mit bloßer Hand töten können, aber eine Waffe war doch zu eklatant. Sie zerstörte die Illusion. Dennoch, es ängstigte ihn, wenn er Elena mit dieser Pistole sah. Eine solche Waffe gehörte nicht in die Hände unerfahrener Leute.
    »Wir schaffen das schon«, sagte Elena, als könnte sie den Konflikt von seinem Gesicht ablesen und wollte ihn beruhigen. Sie war so ganz anders als vorhin, als sie ihre Zweifel offen geäußert hatte. Aber das war auch typisch für sie: Wenn sich Elena für etwas entschieden hatte, stand sie dazu. Und jetzt hatte sie sich entschieden, Arturs Urteilsvermögen zu vertrauen. Er sah an ihrem Blick, dass sie ihm vertraute.
    Lieber Gott, betete er. Bitte lass nicht zu, dass ich dieses Vertrauen enttäusche.
    Rik und Amiri wirkten weit weniger überzeugt, sagten jedoch nichts. Artur konnte darauf vertrauen, dass Amiri auf Elena aufpasste, und wenn auch nur, weil es im Interesse des Gestaltwandlers lag. Bei Rik dagegen verhielt es sich anders. Er schien nicht ganz so gefestigt zu sein. Rik war kein schlechter Mensch, aber er wirkte eher wie ein Junge, nicht wie ein Mann.
    Als Anna mit einem Schlüssel in der Hand um den Tresen kam, öffnete sich die Vordertür des Hotels. Ein Mann und eine Frau betraten die Lobby. Es waren Touristen, wie an den Kameras um ihren Hals und den Gürteltaschen, die von ihren Taillen herunterhingen, unschwer zu erkennen war. Dazu die Sonnenbrillen, die Reisebücher und brandneue Kleidung.
    »Honey«, gurrte die Frau und blickte zu dem leicht angeschlagenen Mosaik an der Decke hoch, das eine nackte Seejungfrau zeigte, die sich lasziv rekelte. »Ist das nicht fantastisch?«
    Was hätte sie wohl gesagt, wenn sie zwei Minuten früher hereingekommen wäre?
    »Wenn Sie mir bitte folgen würden?« Anna warf den Touristen einen nervösen Blick zu. »Ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.«
    »Da«, sagte Elena und warf Artur einen scharfen Blick zu. »Wir kommen.«
    Artur sah Elena nach, als sie mit Amiri und Rik im Schlepptau die Treppe hinaufging und verschwand. Er wünschte sich, mit ihr gehen zu können, damit er nicht hier sein und eine alte Schuld von einem Mann eintreiben musste, der geglaubt hatte, dass er ihn nie Wiedersehen musste. Was ehemalige russische Mafiabosse anging, so war Mikhail Petrovich kein schlechter Mensch. Aber er war eine Erinnerung an härtere Zeiten, und darauf hätte Artur gern verzichtet.
    Er zog seine Handschuhe aus und stopfte sie in seine Gesäßtaschen. Dann spreizte er die Finger und genoss die Luft auf seiner Haut.
    Mikhail sah ihn gerissen an. Das amerikanische Touristenpaar, das auf die andere Seite der Lobby geschlendert war, ignorierte er geflissentlich. »Du treibst dich in interessanter Gesellschaft herum. Weit exotischer, als ich dir zugetraut hätte.«
    »Wenn du ihnen etwas antust ...«
    »Ich gebe dir mein Wort, dass ich das nicht tun werde. Ich habe gar kein Interesse daran, dir wehzutun, Artur, wirklich nicht.«
    Die beiden Amerikaner kamen näher und redeten laut über die »morbide« Atmosphäre des Hotels. Mikhail runzelte die Stirn. »Komm. Wir sollten in meinem Büro weitersprechen.«
    Die beiden Männer verließen die Lobby, Schulter an Schulter. Auch Mikhail war nicht dumm genug, Artur den Rücken zuzukehren. Der Flur war lang und schmal. An den Wänden hingen Fotos. Moskau im Winter. Moskau im

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