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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Sommer. Moskau in der Nacht.
    »Du quälst dich wohl gern mit deinen Erinnerungen?«, bemerkte Artur.
    »Das ist keine Selbstquälerei. Nur eine Erinnerung an andere Zeiten. Außerdem ist es nicht schlecht, sich an Orte zu erinnern, die man liebt.«
    »Auch wenn man niemals an sie zurückkehren kann.«
    »Auch dann. Liebe schmerzt mehr, wenn man sie geringschätzig behandelt, wenn man versucht, sie zu ertränken. Wenn ich das mit Moskau täte, würde ich der Stadt ihren Respekt verweigern. Ich würde mich selbst nicht respektieren. Und wie du weißt, Artur, dafür mag ich mich viel zu sehr.«
    Artur hätte fast gelächelt. Doch Mikhail fuhr fort: »Du vertraust den Leuten nicht, mit denen du reist.«
    Artur sah ihn scharf an. »Das stimmt nicht.«
    »Wirklich nicht?« Mikhail lächelte ihn wissend an. »Du hättest sie einladen können mitzukommen. Aber nein. Du hattest Angst vor dem, was ich sagen könnte, vor dem, was sie über dich in Erfahrung bringen könnten. Vielleicht ist dir auch nur wichtig, was die Frau denkt. Das verstehe ich. Sie hat Klasse. Und Moral.«
    »Genauso gut könnte ich dich schützen«, erwiderte Artur. »Deine Vergangenheit ist weit schillernder als meine.«
    »Ach.« Mikhail breitete die Arme aus. »Ich bin jetzt vollkommen ehrlich. Was habe ich schon zu verbergen? Das ist das große Geheimnis, weißt du? Die Wahrheit befreit dich tatsächlich, Artur. Wenn du die Wahrheit sagst, hat niemand auf der Welt mehr Macht über dich. Nichts kann deinen Schwung bremsen, wenn du ehrlich zu dir selbst und zu anderen bist.«
    »Und das von Mikhail Petrovich, einem ehemaligen Mafiaboss! Haben nicht Lügen dein Leben gerettet? Meine Lügen?«
    Mikhails Miene verfinsterte sich. Er blieb vor einer schmalen Tür stehen und hielt sie Artur auf. »Das habe ich dir noch nicht vergeben.«
    »Das Kleid oder den Befund des Irrenarztes?«
    »Beides. Und die Aufkleber. Wenn ich könnte, würde ich dich allein für diese Aufkleber umbringen.«
    »Sie waren sehr glitzernd. Wirklich hübsch. Mochte Ekaterina sie, nachdem du sie nicht mehr gebraucht hast?«
    »Meine Tochter mochte sie sehr.« Mikhail schüttelte den Kopf. »Du bist ein perverser Mistkerl. Dabei siehst du gar nicht so aus - was es nur noch schlimmer macht.«
    »Ich tue, was ich tun muss«, erwiderte Artur. »Und in deinem Fall - du musstest diskreditiert werden.« Wahnsinn und Travestie, versetzt mit einem Spritzer kindlicher Regression, das hatte damals wie die erfolgversprechendste Methode ausgesehen. Es genügte jedenfalls, um die Bosse davon abzuhalten, die Beschuldigungen gegen Mikhail ernst zu nehmen: dass er Waffen von ihnen stahl. Was zwar stimmte, aber Mikhail doch nicht zu einem schlechten Menschen machte. Und auch seine Familie hatte nicht verdient, dafür mit dem Leben zu zahlen, was sie zweifellos hätten tun müssen. Artur hatte sich ihrer erbarmt.
    »Du hast deine Sache gut gemacht.« Mikhail schüttelte den Kopf. »Ich glaube trotzdem, dass du es genossen hast.«
    Das Büro war klein, mit einem großen Fenster in der Wand gegenüber der Tür. Vor dem Fenster stand ein massiver Mahagonischreibtisch mit Fotos, Stiften und mehreren Computern. Die Wände verschwanden hinter Buchregalen. Neugierig musterte Artur die Einbände. Was las Mikhail wohl zurzeit? Hauptsächlich Nancy Drew, wie es schien.
    »Komm nicht auf komische Gedanken«, bemerkte Mikhail, als er sah, wohin Artur blickte, und setzte sich hinter den Schreibtisch. »Ekaterina liest hier gern.«
    »Ihr Englisch muss sehr gut sein.«
    »Das amerikanische Konsulat finanziert eine amerikanische Schule. Sie geht dorthin. Und will später nach Harvard, sagt sie. Jedenfalls hat sie sich das in den Kopf gesetzt.«
    »Kluges Mädchen.« Artur setzte sich in einen weichen Ledersessel und sah zu, wie Mikhail eine Schublade öffnete und zwei Gläser sowie eine Flasche Wodka herausnahm.
    »Sie ähnelt ihrer Mutter.« Mikhail schenkte ein. »Also. Du bist wieder in Russland. In Begleitung von drei Ausländern, die aussehen wie Punkrock-Waisenkinder, die durchgebrannt sind. Und du bist verzweifelt. Schenk dir diesen Blick. Ich weiß, dass du verzweifelt bist. Denn du bittest nicht gern um einen Gefallen, selbst wenn man dir diesen Gefallen schuldet.«
    Artur nahm ihm das Glas aus der Hand - Warum ist er hier? Meine Lieferung verzögert sich; diese Leute, die er bei sich hat, sind so merkwürdig, irgendwas stimmt da nicht, überhaupt nicht, es muss mit dem Gipfeltreffen zu tun haben - und trank

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