Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)
sind. Insgesamt sind wir nur etwa achtzig.« Mit einer wedelnden Handbewegung deutete Max auf den riesigen Raum. »Giselle hat diesen Ort angelegt, weil sie wohl erwartet, dass eines Tages Massen zu uns stoßen. Vielleicht hätte sie unseren Sitz Arche Noah nennen sollen und nicht Horngate. Hoffen wir, dass wir nicht als Titanic enden.«
Sie führte Alexander durch einen der Gänge. Nach etwa zwölf Metern hielt sie an. Links befand sich eine verschnörkelte Marmortreppe, die nach oben führte. Beziehungsweise hatte sie sich dort befunden. Sie war in sich zusammengestürzt. Max sagte kein Wort. Alexander war sich ohnehin nicht sicher, ob er sie verstanden hätte. Der Berg erbebte von neuem, und der hohle, klagende Ton, den er dabei von sich gab, war ohrenbetäubend. Es war, als schrie die Erde selbst in Todesqualen. Das Geräusch hielt an, und die Luft füllte sich mit Staub, Steinen und herabregnendem Geröll. Hustend rannte er Max hinterher, die sich schon in die Richtung wandte, aus der sie gekommen waren. Sie schoss durch die hohe Halle, sprang über umgekippte Möbel und die gedrungenen Sockel der umgestürzten Säulen, während der Berg erzitterte. Am gegenüberliegenden Ende schlüpfte sie in einen verborgenen Durchgang. Er war so schmal, dass sie sich seitwärts hineinzwängen musste. Der Gang mündete in einen vertikalen Schacht mit einer an die Wand genieteten Stahlleiter. Von oben schien schwaches orangefarbenes Licht herab. Steinchen fielen herunter, prallten klappernd von den Metallsprossen ab und knallten wie Pistolenkugeln zu Boden.
»Bleib dicht bei mir.«
»Mein ganz persönlicher Max-Schirm«, sagte er, als sie trotz des Steinhagels hinaufzusteigen begann.
Sie schaute runter. »War das ein Witz? Ich dachte, dazu wärst du gar nicht fähig. Hast du dir irgendwas verknackst?«
»Du hast einen schlechten Einfluss auf mich.«
»So schlecht nun auch wieder nicht – der Witz war scheiße.«
Er drückte gegen ihre Wade. »Setz dich in Bewegung, bevor dir noch mehr Steine auf den Kopf fallen.«
Sie kletterte flink, duckte sich und wich dem Geröll nach links und rechts aus. Trotzdem hörte Alexander mehr als nur einmal, wie sie von Steinen getroffen wurde. Sie zuckte kein einziges Mal zusammen und gab nicht mehr als ein Knurren von sich. Er blieb dichtauf und konnte die Schlacht fühlen, die sich über ihren Köpfen abspielte. Unter seinen Händen spürte er im Stahl die ständigen Vibrationen, die den Steinkamin um sie herum mit einem leisen Grollen erfüllten.
Göttliche Magie lag in der Luft. Sie zog und wand sich wie etwas Lebendiges und zeigte sich in Form silberner Funken in Alexanders Haar und auf seiner Haut. Die feurigen Blitze von oben wurden stärker, Hitze ergoss sich über sie und nahm mit jeder weiteren Leitersprosse zu.
Nachdem sie drei Viertel des Aufstiegs zurückgelegt hatten, erreichten sie eine Stelle, an der sich ein herabgefallener Granitstein seitwärts im Kamin verkantet hatte. Die Leiter war zerschmettert und hing lose von ihrer Halterung. Auf einer Seite des Felsbrockens war die Lücke breit genug, um sich hindurchzuzwängen, doch es gab kaum Möglichkeiten zum Festhalten, und der Stein konnte jeden Moment nachgeben.
Max wurde nicht mal langsamer. Sie kletterte ans obere Ende der unsicheren Stahlkonstruktion und sprang. Ihr Körper krümmte sich, und ihre Finger suchten nach Halt, während ihre Füße über den Fels kratzten. Schließlich zog sie sich hoch und war nicht mehr zu sehen. Der monströse Brocken knirschte und ächzte. Alexander hielt den Atem an und wartete darauf, dass er sich löste.
»Alexander?«, rief Max. Sie klang außer Atem.
»Hier.«
»Kannst du nachkommen? Genau in der Lücke ist ein kleiner Vorsprung. Halt dich daran fest und zieh dich hoch, bis du die Füße draufkriegst, und dann drück dich weiter nach oben. Ich halte dich fest.«
Ein weiterer Donnerschlag traf den Berg, und Magie strömte durch den Schacht herab. Die Steinwände verschwammen und verflüssigten sich für einen Augenblick durch die magische Wucht. Auf die Leiter wirkte sich die Magie nicht aus, doch die Bolzen, mit denen sie befestigt war, lösten sich. Die Leiter riss aus der Halterung, verbog sich und entfernte sich immer weiter von der Wand. Im gleichen Moment fiel der Felsbrocken. Alexander öffnete die Hände und rutschte an der Leiter hinab. Als die Wände ein paar Sekunden später wieder feste Form annahmen, stoppte Alexander seinen Fall mit sicherem Griff. Der
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