Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)
Hitze hatte ihr Kehle und Lunge verbrannt. Sie starb. Ihr Herz flatterte. Sie spürte sein unregelmäßiges Schlagen bis in jeden schreienden Nerv. Es wurde langsamer, und von den Rändern ihres Geists zog das Grau herauf, das alles zudeckte. Sie hätte Erleichterung verspüren sollen. Stattdessen kämpfte sie um ihr Leben und darum, zu sprechen.
Ein Wort. Wenn sie nur ein Wort formen und es durch ihren zerstörten Mund hervorpressen konnte.
Ein Wort, das ihn begreifen lassen würde, dass sie ihn nicht angelogen hatte.
Versprochen.
In der Welt des Unheimlichen und des Göttlichen gab niemand Versprechen. Es war schlimm genug, eine Schuld einzugestehen. Doch Versprechen gingen tiefer als Magie oder Erinnerung oder Blut: Sie waren Bande, die niemals gebrochen werden konnten.
Max kämpfte um das Wort. Sie zwang ihre verkohlte Zunge, die Silben zu formen, presste sie durch das verschrumpelte Gewebe ihrer Kehle und zwischen den Zähnen hindurch. Sie spürte ihre Lippen nicht, falls sie überhaupt noch welche besaß.
Es war eine gewaltige Anstrengung, doch sie genügte nicht und kam zu spät. Ihr Herz verkrampfte sich, und sie wurde starr.
Dann durchströmte sie eine Kühle. Wo sie hinströmte, verblasste der Schmerz. Sie verschluckte Max und schirmte sie gegen die Hitze ab. Langsam wurde sie sich bewusst, dass sie dicht an Xaphan gedrückt war, dass seine Arme sie umfingen und er mit einer Hand ihren Nacken streichelte. Er hielt die Stirn an ihre Schulter gedrückt.
Als sie wieder sehen konnte, erkannte sie, dass die Feuersbrunst sie nach wie vor umgab. Aber sie spürte keine Hitze. Sie leckte sich über die Lippen – ich lecke mir über die Lippen . Irgendwie heilte Xaphan sie.
Er hob den Kopf, ohne sie dabei loszulassen. Seine Miene war gequält. »Erzähl«, sagte er.
Ohne Zeit zu verlieren, plapperte Max drauflos: »Ich habe die Wintergreisin in Julian von meinem Blut trinken lassen. Sie hat mir im Gegenzug ein Hagelkorn gegeben. Ich habe es benutzt, um die Hüter vergessen zu lassen, dass es Horngate jemals gegeben hat. Ich habe sie jeden vergessen lassen, der Teil von Horngate ist. Wenn es funktioniert hat und wenn du dich an uns binden würdest, dann würde Hekau dich vergessen. Ich verspreche, dass das die Wahrheit ist.«
Er starrte sie mit offenem Mund an, und die Muskeln in seinen Armen waren so angespannt, dass Max’ Knochen ächzten. Sie widersetzte sich ihm nicht. Das war wirklich das Letzte, was sie jetzt hätte tun wollen.
»Hast du Beweise?«, krächzte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein.« Er musste es einfach tun, um sich sicher sein zu können. »Was hast du zu verlieren?«
Sie kannte die Antwort. Nichts. Und alles. Hoffnung war eine trügerische Sache. Wenn er sie gedeihen ließ, nur, damit sie anschließend mit Stumpf und Stiel ausgerissen wurde, konnte ihm das mehr Schaden zufügen, als sein Feuer bei ihr angerichtet hatte.
»Wenn es fehlschlägt, muss ich Horngate trotzdem vernichten.« Seine Kiefermuskeln waren angespannt, und sie sah den Schmerz, der tiefe Falten um seine Augen und seinen Mund grub. Seine Bannzauber plagten ihn.
Plötzlich schnappte Max nach Luft, als sie eine Idee hatte. Kann es so einfach sein? Aber natürlich war es das. Das hatte sie selbst zu Giselle gesagt. Worte wie Versprechen oder Schuld hatten für Geschöpfe wie sie oder Xaphan eine Bedeutung. Sie bedeuteten mehr als jeder Zauber und jeder Bann. Diese Worte waren in ihre Seelen gegraben, weil sie freiwillig gegeben wurden, von ganzem Herzen. Keine Fessel konnte einen fester binden.
Sie stieß sich leicht von ihm ab. Er lockerte seinen Griff, ließ jedoch nicht los. Es war, als wäre sie sein Anker in einem weit größeren Mahlstrom als dem Feuer, das sie umtoste.
»Ich bitte dich um dein Wort. Versprich mir, dass du Horngate beschützen und ihm dienen wirst, so gut du es kannst.«
Es war, als hätte sie ihm eine verpasst. Sein Gesicht wurde schlaff, und jeder Muskel in seinem Körper verkrampfte sich. »Was soll das?«, flüsterte er. »Was verlangst du von mir?«
»Es gibt kein stärkeres Band als dein freiwillig gegebenes Wort. Versprich mir, dass du Horngate schützen und ihm dienen wirst, mehr brauche ich nicht.«
»Mehr brauchst du nicht? Was ist mit deiner Hexe?«
Max lächelte bedächtig. »Hier geht es nicht um sie. Sie ist vielleicht das Herz von Horngate, aber wir anderen sind sein Blut und seine Zähne. Sie wird einverstanden sein. Auch das verspreche ich.«
»Kannst du
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