Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)
Moment lang erklang ein knirschendes Geräusch, während das Schild unter dem Wagen allmählich nachgab und wenig später endgültig umklappte. Max fuhr hinüber und kam an einem weiteren kleinen Schild vorbei, auf dem Naturschutzgebiet stand.
Kurz dahinter wurde die Luft so dick wie Sirup, und alles außerhalb des Tahoes schmolz ineinander wie flüssiges Wachs. Kräfte stemmten sich ihr entgegen, stürmten energiegeladen, aber blind vorwärts. Sie prallten Max gegen Kopf und Brustkorb, stupsten sie an mit der Eleganz eines wütenden Elefanten.
Der Druck zermalmte sie beinahe, ließ einen Moment lang nach und umklammerte sie dann fest. Die Luft wich ihr aus den Lungen. Sie würgte und hustete, doch trat weiterhin fest aufs Gas. Der Tahoe setzte seinen Weg beharrlich und mit aufheulendem Motor fort. Die Magie des Schleiers ließ ihn nur im Schneckentempo vorankriechen. Im Innern des Wagens verhärtete sich die Luft um Max, bis sie das Gefühl hatte, in einem Glasblock festzustecken.
Sie konnte nicht atmen; sie konnte sich nicht bewegen. Brennender Schmerz breitete sich in ihr aus. Ihr Körper zuckte, und unwillkürlich knirschte sie mit den Zähnen. Sie umklammerte das Lenkrad fester. Der Kunststoff brach unter ihrem Griff.
Fast da …
Sie lehnte den Kopf zurück. All ihre Muskeln fühlten sich starr an. Komm schon … Gleich ist es vorbei, trieb sie sich im Stillen an.
Und mit einem Mal schien etwas nachzugeben .
Die Zauber, die Giselle ihr vor über zwanzig Jahren tief in Muskeln und Knochen eingeritzt hatte, erwachten zitternd. Ein Funkensturm wütete in ihrem Innern. Max schnappte nach Luft und spürte, wie magische Ranken sich von unter ihrer Haut entfalteten. Sie durchdrangen den Schleier wie kräftiges Wurzelwerk. Sofort ließ der Druck nach. Sie holte tief Atem und blinzelte, bis ihr Blick wieder klar war. Als sie sich die Nase wischte, entdeckte sie Blut auf ihrem Handrücken.
Zum Teufel noch mal. Wenn der Schleier nicht dünner gemacht worden wäre, hätte sie wahrscheinlich das Bewusstsein verloren. Der Schlüsselzauber sollte eigentlich besser funktionieren. Und wann hat er das jemals?, schalt sie sich im Stillen und leckte sich das Blut von der Haut.
Sie bog auf einen Kiesweg und sah im Rückspiegel nach, wie Akemi und Giselle zurechtkamen. Noch immer waren sie direkt hinter ihr. Giselle hatte den Schleier ein Stückchen beiseitegeschoben, damit sie passieren konnten. Max’ Schlüsselzauber hätte etwas Ähnliches für sie bewirken sollen. Doch so einfach war es nicht. Er aktivierte sich immer erst, wenn sie mindestens halb tot war. Was laut Giselle an Max’ negativer Einstellung lag. »Das ist dein Hexenblut. Es gibt deiner Sturheit Kraft. Wenn du nur willst, kannst du selbst erzwingen, dass die Zauber stärker wirken. Und ebenso kannst du erzwingen, dass sie nicht wirken. Schau dir die Heilzauber an. Sie funktionieren sofort, weil du so fest entschlossen bist, am Leben zu bleiben, um mich zu töten. Damit die anderen Zauber genauso gut arbeiten, musst du bloß endlich akzeptieren, dass du eine Shadowblade bist – dass dies nun dein Leben ist und es keinen Weg zurück gibt.«
Du musst bloß endlich akzeptieren … Energisch schüttelte Max den Kopf. »Ich wette, Psychopathen erzählen ihren Opfern genau dasselbe«, murmelte sie und verzog das Gesicht. Waren Selbstgespräche nicht ein sicheres Anzeichen von Wahnsinn? Andererseits hatte sie sonst niemanden, mit dem sie über Giselle reden wollte.
Unvermittelt trat sie voll aufs Gas. Der Tahoe kam ins Schlingern, Kies spritzte auf. Max ließ es etwas lockerer angehen, brachte den Wagen wieder unter Kontrolle und lenkte ihn den steilen Hang hinab. Die Bäume standen dicht am Straßenrand – Wacholder und Krüppeleichen mit ein paar dornigen Sträuchern dazwischen.
Sie erreichte die Abfahrt zum Canyon, wo sich der Parkplatz befand und der Weg zum Konklave begann. Er war mit Steinen gepflastert, und jeder der grauen Blöcke war mit jahrhundertealten magischen Symbolen versehen. Der Wald, der sich jetzt um sie herum erstreckte, stellte eine bizarre Mischung von verschiedenen Baumarten dar, die allesamt in San Diego eigentlich nichts zu suchen hatten.
Die Abzweigung, nach der Max suchte, befand sich genau dort, wo sie sie vermutete – dabei war sie zuvor nur ein einziges Mal in der Sagrado gewesen. In der Canyonwand klaffte hier ein schattiger Spalt. Zu beiden Seiten wurde die Kluft von Felsvorsprüngen gesäumt, die zum Teil mit
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