Shadowdwellers: Magnus (German Edition)
wertvolle Zeit zu gewinnen. Der Lärm von zerbrechendem Porzellan, und Henry hätte Shiloh hinter sich bemerkt. Vielleicht gerade noch rechtzeitig, um zu begreifen, was der vorhatte, und irgendwie zu protestieren oder zu entkommen.
Doch sie wusste, dass die Chancen gering gewesen wären. Magnus hatte ihr zuvor gezeigt, wie schwer es war, aus dem Unterricht in diesen Räumen zu entkommen. Sie verstand die Prinzipien, und es funktionierte bei denjenigen, die absolut vertrauenswürdig waren, doch Magnus musste erkennen, dass es im Sanktuarium so lange kein Vertrauen mehr gab, bis er den Betrug systematisch ausmerzte, wo er entstanden war. Und wenn man an Nicoya, Shiloh und Cort dachte, galt das Sprichwort: Der Fisch stinkt vom Kopf her. Man konnte wetten, dass sich das durch alle Ebenen zog. Wenn Tiana sie nicht zu dem Geheimzimmer geführt hätte, hätten Nicoya und Shiloh den Jungen einfach töten und verschwinden lassen können.
»Ich wollte es nicht«, sagte Henry erbittert, während er sich an sie klammerte. »Ich mochte es nicht! Überhaupt nicht!«
»Nein, Henry«, versicherte ihm Sagan, während er die Faust ballte vor unterdrückter Wut. »Nicoya hat dich dazu gebracht, und was Shiloh getan hat, war rein körperlich. Schäm dich nicht dafür, dass du zum Höhepunkt gekommen bist. Es ist fast unmöglich für einen Mann, die Kontrolle zu behalten, wenn die Prostata auf diese Weise stimuliert wird. Es war rein körperlich, Henry. Nichts weiter.«
Daenaira blinzelte ein bisschen, um Tränen des Mitgefühls zurückzuhalten. Den Göttern sei Dank begriff Sagan, was passiert war. Bei ihrer Unerfahrenheit in sexuellen Dingen konnte sie Henry nicht helfen, und sie kam sich dumm und unnütz vor. Sie war entschlossener denn je, alles zu lernen, was sie konnte. Das nächste Mal, wenn jemand sie brauchte, wollte sie wissen, wie sie helfen konnte.
» K’yan «, sagte Sagan leise. »Ich bleibe bei Henry. Du musst Magnus suchen.«
Dae blickte Sagan überrascht an. Sie begriff sofort, dass er auf die Gelegenheit verzichtete, Shiloh und Nicoya zu Magnus zu treiben, und lieber bleiben und einen Jungen trösten wollte, der dringend Bestätigung durch einen Mann brauchte. Das war ein Opfer, das sie nicht erwartet hätte von einem Mann, der nur für die Kampfkunst zu leben schien. In diesem Augenblick sah sie, was Magnus in dem schweigsamen, stoischen Geistlichen gesehen haben musste. Sie sah, warum er ihm vertraute, auch wenn es nur unbewusst war.
Daenaira erhob sich und verließ Henry, nachdem sie ihm aufmunternd die Hand gedrückt hatte. Er sah aus, als hätte er eine Stunde im Licht gebrannt, doch sie vertraute darauf, dass Sagan ihm helfen konnte. Sie ging aus dem Raum, und obwohl sie wusste, dass Eile angesagt war, wusste sie auch, dass Magnus die Verfolgung der Verbrecher genauso gut auch in fünf Minuten aufnehmen konnte. Sie wollte nach Tiana sehen. Sie verstand nicht, weshalb die Dienerin nichts unternommen hatte, um Henry zu helfen. Hatte sie einfach nur dagestanden und dabei zugesehen, wie der Junge vergewaltigt wurde? Dae schlüpfte in den verborgenen Tunnel und arbeitete sich vorsichtig vorwärts. Sie kam zur Außenseite des Raums, in dem Sagan und Henry waren, doch Tiana war verschwunden. Sie konnte sehen, wie Sagan eindringlich mit Henry sprach und wie der Junge heftig nickte. Bestimmt wiederholte er noch einmal all die Dinge, die er dem Jungen gesagt hatte, um ihn darin zu bestärken, dass er in dieser Situation das Opfer war und nicht der Täter.
Sie war selbst überrascht, wie enttäuscht sie von Tiana war. Seit wann erwartete sie denn etwas von den anderen? Hatte sie schon nach zehn Tagen im Sanktuarium vergessen, was sie über die Natur ihrer Gattung wusste? Das ergab keinen Sinn. Sie wusste es besser.
In diesem Moment blickte sie nach unten und sah einen braunen Fleck auf dem Stein zu ihren Füßen. Vorsichtig behielt sie die anderen Gänge im Auge, während sie sich hinkniete, um die Stelle zu berühren. Sie war noch feucht, und als sie den Finger umdrehte, sah sie, dass es nicht braun war, sondern rot, und der Geruch von Blut reizte ihre empfindliche Nase.
»Oh Ihr Götter«, flüsterte sie.
Hatte sie Tiana allein gelassen, und ihr war etwas zugestoßen? Wo war Tiana? Dae hatte sich nicht die Zeit genommen, den restlichen Tunnel zu erforschen, in der Annahme, er verliefe weiter an den Tutorenräumen zu beiden Seiten entlang. Sie drang in die bisher unerforschte Tiefe des Tunnels vor, wobei sie das
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