Shadowdwellers: Magnus (German Edition)
zutiefst erzürnt war, doch das stand in solchem Widerspruch zu seinen Fingern auf ihrer Wange, dass sie nicht wusste, was sie in diesem Augenblick denken sollte. Ihr war unbehaglich zumute, doch sie sagte nichts.
Sie bekam auch langsam den Eindruck, dass die vertraute Art, wie er sie festhielt, nicht unbedingt für die Öffentlichkeit bestimmt war. Leute starrten sie an und blieben dann flüsternd stehen oder schüttelten missbilligend den Kopf. Es hatte sie zwar nie gekümmert, was die Leute redeten, doch es machte ihr etwas aus, wenn sie sich vorstellte, welchen Einfluss ihre Anwesenheit auf Magnus’ Ansehen haben könnte. Sie bekam das Gefühl, als wäre sie ein wenig schmuddelig und in seinem Schatten am falschen Platz, und dieses Gefühl schnürte ihr die Kehle zu. Als seine Dienerin sollte sie ihm helfen und ihn unterstützen, ihm die Arbeit und das Leben leichter machen, damit er so viel Gutes wie möglich tun konnte. Wenn er wegen ihr in einem schlechten Licht dastand, konnte das seinen Einfluss vielleicht schmälern.
Daenaira hätte sich seinem Griff entzogen, wenn sie inzwischen nicht das Sanktuarium erreicht hätten. Sobald sie im Gebäude waren, nahm Magnus sie bei der Hand und rannte mit ihr ein paar Stockwerke tiefer, bis sie die Schmiede erreichten. Schwarzes Feuer brannte heiß in den vielen Feuerstellen, wo Schmiede ihrem Handwerk nachgingen. In einer Esse loderten schwarze Flammen, chemisch behandelte Brennstoffe, die ein lichtloses Feuer erzeugten, das länger brannte und das stärker war als das Feuer von Menschen. Allerdings brannte es nicht ganz so heiß und erschwerte die Bearbeitung von Metall. Es machte das Erhitzen von Stahl und ähnlichen Materialien zu einer besonderen Kunst, bei der es auf perfektes Timing und makellose Gussformen ankam. Sie bewunderte zwar die Schmuckhersteller für ihre Geduld, doch es waren Waffenschmiede wie Magnus, die ihr Ehrfurcht und Respekt abnötigten. Natürlich wusste sie, dass sie befangen war.
Schmuck konnte es nicht aufnehmen mit einem schön geformten Schwert.
Die Esse, zu der er sie führte, war seine. Niemand außer Magnus benutzte sie, und sie wurde die ganze Zeit befeuert, außer er ordnete an, sie erkalten zu lassen. Die vielen Hitzequellen, an denen sie vorbeigingen, brachten sie ins Schwitzen. Magnus ging zu einer kleinen Ablage und zog das Tuch weg, das er darübergelegt hatte.
Daenaira stieß ein lautes Keuchen aus, das man über die Geräusche der anderen Feuerstellen und über das Klopfen und Zischen von Metall hinweg hören konnte.
»Magnus!«, schrie sie fast.
Die Sai . Wunderschön, unglaublich, atemberaubend. Zwei Paar! Sie schlug die Hände vor den Mund und trat nur einen Schritt näher, um die großartigen Kreationen aus Metall zu betrachten. Man konnte sofort sehen, wie viel Zeit und Mühe darin steckte. Eine unglaubliche Detailarbeit. Geschmeidiges Mattschwarz. Das war kein gewöhnliches Sai . Die Sai in seinen Gemächern waren aus Stahl mit einem silbrigen Glanz. Aber diese hier – die waren tiefschwarz! Killerwaffen, dazu gedacht, dass ein Kämpfer sich in seiner natürlichen Schattenumgebung verbergen konnte, ohne sich durch das Blitzen von Metall zu verraten. Ein entscheidender und wohlbedachter Vorteil, etwas, worauf sie selbst noch nicht gekommen war. Am Knauf befanden sich Steine aus Onyx, die perfekt geschliffen waren, und dort befand sich auch das einzige bisschen Farbe an dem ganze Objekt: In perlmuttartig schimmerndem Mitternachtsblau waren ihre Initialen in die Steine geätzt. An den Mittelzacken aller vier Sai entlang hatte er Flammen geschmiedet, die vom Griff bis zur Spitze verliefen. K’yindara . Flächenbrand.
Daenaira spürte, wie er sie mit den Fingerspitzen am Oberarm berührte und sie durch die Bluse sanft streichelte.
»Nimm eins in die Hand«, ermunterte er sie nun schon zum dritten Mal, ohne dass sie es zuvor mitbekommen hätte. Sie war so überwältigt und so hingerissen, dass er beinahe schon kindisch stolz war. Magnus sah zu, wie sie mit zitternden Händen nach einem Sai griff, und ihre Ehrfurcht war wundervoll. Wieder hatte sie Tränen in den Augen, auch wenn er nicht verstand, warum. Dae hatte gewusst, dass er sie für sie anfertigen wollte. Warum machte das Geschenk sie nur so sprachlos, als käme es völlig unerwartet?
»Ich habe nicht gedacht, dass du sie wirklich machen würdest«, sagte sie, als hätte sie seine Gedanken erraten. »Es tut mir leid, aber ich dachte wahrscheinlich … dass du
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