Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
keinen Sinn. Manches konnten wir nicht mit heutigen Ereignissen in Zusammenhang bringen, und einige ihrer Hinweise sind rätselhaft. Falls all das, was sie auf diesen Seiten festgehalten hat, in derselben Reihenfolge eintreten soll, dann stehen wir erst am Anfang ihrer Weissagungen. Auf den ersten zwanzig Seiten berichtet sie vom Entkommen des Sinsar Dubh.«
»Hat sie es so bezeichnet?«
»Nichts sonst in diesem Buch ist so klar. Sie schreibt vom großen Bösen, das unter der Abtei schlummert, und davon, dass ihm mit Hilfe ›von einer aus den höchsten Kreisen‹ die Flucht gelingt.«
»Eine Waschfrau wusste vom Haven?«, rief ich.
»Höchstwahrscheinlich hat sie ihre Herrschaft belauscht«, schaltete sich Rowena ein.
»Elitär bis zum Kleinsten, wie, Rowena?«
Kat nahm einen gelben Zettel aus dem Buch, auf den Jo ihre Übersetzung geschrieben hatte, und reichte ihn mir.
»In dem Text sind eine Menge Abschweifungen, ehe sie zum Punkt kommt«, erläuterte Jo. »Die Waschfrau lebte etwa tausend nach Christus – sie hat nie ein Auto, ein Flugzeug, ein Mobiltelefon oder ein Erdbeben gesehen und kannte nicht die richtigen Worte, um die Dinge zu beschreiben. Immer wieder benutzt sie die Phrase ›In den Tagen von …‹, um einigermaßen zu definieren, wann sich ihre Weissagung ereignen würde. Ich habe mich darauf konzentriert, die Stellen zu übersetzen, die sich mit dem Sinsar Dubh befassen. Am Rest der Prophezeiungen arbeite ich noch, aber ich komme nur langsam voran.«
Ich überflog den Text und suchte eifrig nach einem Hinweis auf meine heroische Rolle oder zumindest einen darauf, dass mir nicht der schurkische Part zugedacht war.
Die Bestie wird ausbrechen und die Erde peinigen. Sie kann nicht vernichtet werden. Niemand kann ihr Schaden zufügen. Ein unheiliger Baum wird neue Blätter treiben. Das Böse muss verwoben werden (ummauert? eingesperrt?). Den mächtigsten Blutlinien entstammen zwei: Wenn eine jung stirbt, wird die andere, die den Tod herbeisehnt, die Jagd aufnehmen. Juwelen von den eisigen Felsen, ausgelegt im Osten, Westen, Norden und Süden, werden aus den drei Gesichtern eines machen. Fünf Keltar von der verborgenen Grenze werden singen, solange die Juwelen an ihre Plätze gelegt werden, und eine, die brennt (auf einem Scheiterhaufen?), wird zurückkehren zu dem Ort, von dem sie entkommen war. Wenn der Besessene (dieses Wort ist nicht zu verifizieren) es im Herzen der Dunkelheit versiegelt, wird es mit einem offenen Auge schlummern.
Ich las weiter, bis Dani, die hinter mir stand, rief: »Mann – gruselig! Wer schreibt denn so einen Quatsch?«
Jo schniefte. »Ich hab mein Bestes gegeben, und das obwohl dieVerfasserin nicht ein Wort zweimal gleich buchstabiert, undeutlich geschrieben und heute gänzlich unbekannte Begriffe benutzt hat.«
»Hätte es sie umgebracht, wenn sie ein bisschen genauer gewesen wäre?«, meckerte Dani.
»Vermutlich dachte sie, dass sie genau ist« , antwortete ich. Die Sprache hatte sich ständig verändert, insbesondere die Dialekte. »Denk doch mal nach, Dani, wer wird in tausend Jahren dein Kauderwelsch mit den vielen Flüchen und dem Slang übersetzen können?«
Aber nicht nur die Sprache war umständlich. Einen Traum zu erzählen bereitete Schwierigkeiten. In der Mittelschule hatten mich meine Träume von dem Kalten Ort so gequält, dass ich Daddy schließlich sagte, ich hätte einen immer wiederkehrenden Alptraum. Er ermutigte mich, ihn aufzuschreiben, und gemeinsam versuchten wir ihn zu deuten.
Der logisch denkende, pragmatische Jack Lane sah das menschliche Gehirn als eine Art Riesencomputer an, und Träume waren für ihn die Methode, mit der das Bewusstsein die täglichen Geschehnisse im Unterbewusstsein als Erinnerungen und Lektionen abspeichert. Doch er glaubte auch, dass ein wiederkehrender Traum darauf hindeutet, dass der Kopf oder das Herz Probleme hat, etwas zu verarbeiten.
Er meinte, mein Traum würde die kindliche Angst vor dem Verlust der Mutter widerspiegeln, aber selbst mit nur zehn Jahren hatte ich meine Zweifel an dieser Theorie. Heute fragte ich mich, ob sich Daddy insgeheim Sorgen gemacht hatte, dass mein Traum etwas mit dem Verlust meiner biologischen Mutter zu tun haben könnte, dass ich vielleicht an irgendeinem Kalten Ort gefangen und gezwungen gewesen war, sie sterben zu sehen. Das dachte ich auch bis zu meiner Erfahrung mit der Konkubine und dem König in der Weißen Villa, als mir klar wurde, dass sie die Frau aus meinen
Weitere Kostenlose Bücher