Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
Weil die Tinte das Pergamentpapier durchdrungen und Flecken auf der Rückseite hinterlassen hatte, war immer nur die vordere Seite beschrieben. Das nächste Blatt fehlte. Nur noch kleine Fetzen ragten aus dem Bindefalz hervor. »Jemand hat die Seite herausgerissen?«, fragte ich ungläubig.
»Schon vor einer Weile. Dies Bändchen ist eins der ersten, das wir, nachdem du uns den Zugang zu dieser Bibliothek ermöglicht hast, katalogisiert haben. Wir fanden es aufgeschlagen auf dem Tisch, und diese Seite sowie einige andere waren herausgerissen. Wir haben den Verdacht, dass es dieselbe Person getan hat, die dieZauber vor deiner Zelle zerstört hat, als du als Pri-ya eingesperrt warst«, sagte Kat.
»Die Verräterin ist in der Abtei«, fügte Jo hinzu. »Und wer immer sie sein mag, sie ist eine ebenso gute Übersetzerin wie ich, oder sie hat wahllos irgendwelche Seiten an sich genommen.«
»Nur ein Mitglied aus meinem getreuen Haven würde an meinen Schutzzaubern vorbeikommen und sich Zugang zu der Bibliothek verschaffen können«, gab Rowena bitter zu bedenken.
23
I ch parkte den Viper hinter dem Buchladen und starrte durch die Windschutzscheibe auf die Straße, die zur dereinst größten Dunklen Zone der Stadt gehört hatte. Vor kurzem hatte es hier vor Schatten nur so gewimmelt, und einer von ihnen, ein riesiger amorpher Lebenssauger, hatte viel Spaß daran gehabt, mir zu drohen – genauso viel wie ich daran, ihm zu drohen.
Ich fragte mich, wo er jetzt wohl sein mochte. Hoffentlich bekam ich noch einmal die Gelegenheit, ihn zu jagen und einige meiner neu gefundenen Runen an ihm auszuprobieren – die würden ihm ein für alle Mal den Garaus machen. So groß, wie dieser spezielle Schatten geworden war, bevor er in der Nacht, in der in Dublin die Lichter ausgingen, entkommen war, konnte er meiner Vorstellung nach eine ganze Kleinstadt auf einmal verschlingen.
Ich blickte zur Garage, dann zum Buchladen und seufzte.
Barrons fehlte mir. Ironischerweise war ich jetzt, da ich mir das Gehirn zermarterte, wer oder was ich war, nicht mehr so besessen davon herauszufinden, wer er war. Allmählich verstand ich, warum er immer darauf bestanden hatte, dass ich ihn nach seinen Taten beurteilen sollte. Was, wenn die Sidhe -Seherinnen tatsächlich Unseelie waren? Machte uns das von Natur aus böse? Oder hieß dasnur, dass wir uns wie der Rest der Menschheit für Gut oder Böse entscheiden mussten?
Ich stieg aus, schloss den Wagen ab und ging zum Vordereingang des Ladens.
»Hat Barrons erlaubt, dass Sie dieses Auto fahren?«, fragte Lor hinter mir.
Ich drehte mich, mit einer Hand auf dem Türknauf, in der anderen den Schlüsselring, um. »Eigentum und Besitz. Neunzig Prozent der Gesetze.«
Seine Mundwinkel zuckten. »Sie waren schon zu lange in seiner Gesellschaft.«
»Wo ist Fade? Haben Sie ihn geschnappt?«
»Das Buch hat ihn tot zurückgelassen.«
»Und wann erwarten Sie ihn wieder unter den Lebenden?«, erkundigte ich mich zuckersüß.
»Berichten Sie. Was haben Sie in der Abtei erfahren?«
»Sie glauben, dass ich Ihnen Bericht erstatte?«
»Bis Barrons wieder da ist und erneut die Kontrolle über sie übernimmt.«
»So denken Sie? Dass er mich unter Kontrolle hält?« Zorn loderte in mir auf.
»Das sollten Sie hoffen, denn wenn er das nicht tut, töten wir Sie.« Die Drohung wurde tonlos und absolut desinteressiert ausgesprochen. Erschreckend. »Wir existieren nicht. So war es immer, und so wird es immer sein. Wenn uns ein Mensch auf die Spur kommt, bringen wir ihn zum Schweigen. Es ist nichts Persönliches.«
»Gut, aber Sie werden schon entschuldigen, dass ich beschließen könnte, es verdammt persönlich zu nehmen, wenn Sie versuchen, mich umzubringen.«
»Wir werden es nicht versuchen. Zumindest vorerst nicht. Berichten Sie.«
Schnaubend wandte ich mich ab, um den Laden zu betreten.
Er war direkt hinter mir, legte die Hand auf meine, drückte das Gesicht in mein Haar und atmete tief ein. Dann flüsterte er dicht anmeinem Ohr: »Sie riechen nicht wie andere Menschen, Mac. Warum ist das so? Ich bin nicht wie Barrons. Ryodan ist zivilisiert. Ich leide nicht unter Kasteos Problemen, und Fade hat nach wie vor seinen Spaß. Der Tod ist mein Morgenkaffee. Ich liebe Blut und das Geräusch von brechenden Knochen – es macht mich an. Erzählen Sie mir, was Sie über die Prophezeiung herausgefunden haben, und das nächste Mal bringen Sie das Buch der Wahrsagerin mit. Wenn Sie wollen, dass Ihre Eltern …
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