Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
mich.«
»Weshalb?«
»Offenbar war er anders als die anderen Unseelie-Prinzen. Die anderen haben keine Namen. Wieso hat Cruce einen? Bei unserer ersten Begegnung hast du mir Cruces Armreif angeboten. Warum heißt er so? Wo hat Cruce gelernt, die Spiegel zu verfluchen? Es scheint, dass es über ihn sehr viel mehr zu erzählen gibt als über die anderen Prinzen.«
V’lane seufzte wie ein Mensch. »Eines Tages wirst du dir wünschen, über mich zu reden. Du wirst genauso viele Fragen über mich und meine Rolle in der Geschichte der Feenwesen stellen. Sie ist weitaus majestätischer als die von Cruce. Er war ein junger, unerfahrener Prinz. Ich habe mehr zu bieten.«
Ich klopfte mit den Fingern auf die Armlehne und wartete.
Er strich über meinen Arm und verschränkte die Finger mit meinen. Seine Hand war warm und stark – er fühlte sich an wie ein echter Mann. Heute hatte er eine richtige menschliche Gestalt angenommen.
»Ich habe dir schon mehr über die Geschichte der Feen erzählt, als je ein Mensch erfahren hat.«
»Und ich kenne trotzdem nur ein paar wenige dürre Fakten. Du willst doch, dass ich dich als Mann ansehe, aber Vertrauen entsteht nur, wenn man sein Wissen teilt und eine gemeinsame Ebene findet.«
»Wenn meine Artgenossen dahinterkommen, wie viel ich dir preisgebe …«
»Ich gehe das Risiko ein. Du auch?«
Er schaute aufs Meer, als suchte er Ratschläge in den türkisfarbenen Wogen. Schließlich sagte er: »Wie du willst, MacKayla, aber du darfst dein Wissen niemals einem anderen Feenwesen offenbaren.«
»Verstehe.«
»Sobald der Unseelie-König einigermaßen zufrieden mit der Entwicklung seiner Schöpfungen war, machte er sich daran, die Seelie-Hierarchie nachzubilden. Er kreierte vier königliche Häuser dunkle Gegenstücke zu den königlichen Geschlechtern der Seelie. Das Haus des Cruce war das letzte, das er erschaffen, und Cruce selbst der letzte Unseelie, dem er zu einem Dasein verholfen hat. Als der König anfing, an dem vierten Haus zu arbeiten, war er, sogar ohne Schöpfungslied, ein Meister darin, seine ›Kinder‹ zu vollem Leben zu erwecken. Durch ihr rabenschwarzes Haar, die schwarzen Halsreifen und die betörenden Melodien wären sie niemals als Seelie durchgegangen, dennoch konnten sie sich, was Schönheit, Erotik und majestätische Haltung betraf, mit den ranghöchsten Lichten Feen messen. Manche sagen, der König habe mit Cruce aufgehört, weil er wusste, dass ein weiteres ›Kind‹ – genau wie in einer eurer Sagen – den Vater töten und den Thron für sich beanspruchen würde.«
Ich nickte – die Ödipus-Sage hatten wir im College durchgenommen.
»Anfangs hatte der König seine helle Freude an Cruce und teilte freimütig sein Wissen mit ihm. Er hatte einen ebenbürtigen Partner gefunden, den er für seine Bemühungen, die Konkubine zum Feenwesen zu machen, einsetzen konnte. Cruce war klug, lernte schnell und erfand viele Dinge. Der Armreif war eine seiner ersten Kreationen. Er machte ihn dem König zum Geschenk, damit der ihn an seine Konkubine weitergab. Wenn sie Sehnsucht nach ihrem Geliebten hatte, brauchte sie nur den Armreif zu berühren und an den König zu denken, dann kam er zu ihr. Außerdem schützte dasSchmuckstück sie vor gewissen Gefahren. Der König war glücklich über das Geschenk. Gemeinsam stellten sie einige Amulette her, mit deren Hilfe sie Illusionen heraufbeschwören konnten. Der König allein fertigte das letzte Amulett an und gab es seiner Geliebten. Es wird erzählt, dass die Illusionen, die sie mit diesem Amulett wob, jeden täuschen konnten, selbst den König. Er gewährte Cruce freieren Zugang zu seinen Arbeitszimmern, Bibliotheken und Laboratorien.«
»Aber woher hast du Cruces Armreif?«
»Meine Königin hat ihn mir gegeben.«
»Und von wem hat sie ihn?«
»Ich nehme an, man hat ihn Cruce abgenommen, als er ums Leben kam, dann wurde er als Schutz von Königin zu Königin weitergegeben.«
»Während der König Cruce rückhaltlos vertraute, plante der, seinen ›Vater‹ zu stürzen und ihm die Konkubine auszuspannen?«, fragte ich. Es gelang mir nicht, den empörten Tonfall zu unterdrücken.
»Wer hat dir das gesagt?«
Ich zögerte.
»Vertrauen muss gegenseitig sein, MacKayla«, tadelte er.
»Ich habe Christian im Spiegellabyrinth gesehen. Er hat, wie er sagt, gelernt, dass Cruce den König hasste, seine Geliebte begehrte und die Spiegel verfluchte, um den König von ihr fernzuhalten. Christian hat erzählt, Cruce
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