Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
Quellen unzuverlässig, und Barrons ist aus irgendeinem anderen Grund vor dem Spiegel zum schwarzen Gemach tot umgefallen. Vielleicht würde mich Christian auslachen, wenn er meine Erklärung hörte, und meine Version als Unsinn abtun, weil schon viele Leute und Feen diesen Spiegel benutzt hatten. »Weil ich durch den Spiegel im Schlafgemach des Königs getreten bin.«
Er schwieg eine ganze Weile, dann sagte er: »Das ist nicht lustig, Mädchen.«
Ich sah ihn nur an.
»Unmöglich«, hauchte er.
Ich stopfte die Hände in die Manteltaschen und wartete, bis er diese Neuigkeit verdaut hatte.
»Die Legende ist allerorten bekannt. Es gibt nur zwei Wesen, die den Spiegel des Königs passieren können«, erklärte er schließlich.
»Vielleicht hat Cruces Fluch etwas daran geändert.«
»Dieser Spiegel war der erste, der je angefertigt wurde – aus vollkommen anderen Materialien. Der Fluch hat ihn nie getroffen. Er wurde noch lange nach Cruces Zeit als Methode, die Todesstrafe auszuführen, eingesetzt.«
Verdammt. Ich hatte ehrlich gehofft, er würde das nicht sagen. Ich kehrte ihm den Rücken zu und trat seitlich an den Sarg. Die Königin der Feen würde mich zum Schreien bringen. Ich war es leid, mich nach Gründen zu fragen. Es wurde Zeit für die Wahrheit.
Hinter mir redete Christian immer weiter. »Und, Menschenskind, du bist weder der eine noch die andere.«
»Hör auf mit Menschenskind, Bürschchen.« Etwas Ähnliches hatte er einmal zu mir gesagt, und ich versuchte es mit ein bisschen Humor, ehe mich die Entdeckung, die mir bevorstand, zugrunde richtete.
Ich drückte die Hände auf die Runen, die ich im Traum gesehen hatte. Etwas klickte, dann hörte ich ein leises Zischen, und der Deckel hob sich unter meinen Händen. Jetzt musste ich ihn nur noch wegschieben.
»Nur der Unseelie-König und seine Konkubine können diesen Spiegel benutzen«, sagte Christian.
Der Deckel glitt beiseite. Ich schaute hinunter.
Lange Zeit gab ich keinen Laut von mir.
Dann schrie ich.
29
I ch schrie nicht lange, das muss man mir zugutehalten.
Aber der kurze Ausbruch in dieser höllischen Tonlage genügte, um den festen Schnee und das Eis gefährlich zu erschüttern. Mein Schrei hallte von den Felsen wider und wurde, anders als ein Echo, immer lauter. Ich hörte ein Rumpeln, das nur eines ankündigen konnte: eine Lawine.
Mein Kopf zuckte herum. »Nimm sie.«
Christian schüttelte fluchend den Kopf. »Himmel, du holst die Steine aus dem Beutel. Du fütterst mich mit Unseelie-Fleisch. Du schreist. Du bist eine wandelnde …«
»Hol sie da raus und renn! Los!«
Er lief zum Sarg, zögerte jedoch.
»Was ist mit dir? Heb sie hoch.«
»Sie ist die Königin der Feen.« Ehrfurcht schwang in seiner Stimme mit. »Es ist verboten, die Königin zu berühren.«
»Gut, dann bleib hier bei ihr und lass dich lebendig begraben«, herrschte ich ihn an.
Er hob sie aus dem Sarg.
Sie war so zart, so ausgezehrt, dass ich sie selbst hätte tragen können, aber ich verspürte nicht den Wunsch, sie anzufassen. Niemals. Das war auf verstörende Weise komisch, wenn man darüber nachdachte. Also dachte ich nicht nach.
Eis krachte und polterte hoch über uns. Kristalle regneten auf das Podest.
Eine weitere Aufmunterung brauchten wir nicht. Wir rutschten und schlitterten den gefrorenen Abhang hinunter und flüchteten zu dem schmalen Durchgang, über den ich gekommen war. Es würde ein knappes Wettrennen mit der Lawine werden.
»Warum hast du so geschrien?«, überbrüllte Christian das Getöse.
»Sie hat mich erschreckt«, rief ich zurück.
»Na großartig. Stopf dir das nächste Mal eine Socke in den Mund, ja?«
Ein weiteres Wort fiel nicht, während wir rannten, um nicht begraben zu werden. Ich prallte von den Felswänden ab wie ein Pingpongball. Zweimal stolperte ich und stürzte. Christian fiel über mich, doch es gelang ihm, die schmächtige Königin festzuhalten. Die Lawine jagte uns, grollte wie ein tiefer Donner und krachte in den Canyon. Schnee wirbelte auf wie eine Wolke.
Endlich brachten wir den schmalen Pfad durch die Felsen hinter uns, überquerten den Canyon und liefen auf die Festung aus schwarzem Eis zu.
»Die Burg des Unseelie-Königs!«, staunte Christian, als wir durch die riesigen Tore stürmten. Er schaute sich um, auch nach oben und unten. »Ich bin mit Geschichten über dieses Gemäuer aufgewachsen, aber ich hätte nie damit gerechnet, es einmal mit eigenen Augen zu sehen. Ich dachte, das Einzige, was ich von den
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