Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
legendären Tuatha Dé jemals zu Gesicht bekomme, sind ihre Porträts.Und jetzt bin ich hier in der Festung des Königs und halte die Seelie-Königin in den Armen.« Er lachte bitter. »Und werde allmählich zu einem von ihnen.«
Ich raunte den Befehl, mit dem ich die Tore geöffnet hatte, und atmete erleichtert auf, als sie sich lautlos vor den tosenden Schneemassen schlossen. Würde die Lawine, die ich ausgelöst hatte, die Festung erreichen? Sich vor dem Portal auftürmen und uns wirksamer einschließen als Schlösser und Riegel? Ich rechnete damit, dass Christian wissen wollte, wie ich die Tore zubekommen hatte, aber er war so mit seiner Umgebung beschäftigt, dass er nichts mitbekam.
»Was jetzt?« Sein faszinierter Blick huschte zwischen der zerbrechlichen Frau in seinen Armen und dem Interieur der dunklen Burg hin und her.
»Jetzt gehen wir zu dem Spiegel im Boudoir des Königs«, sagte ich.
»Weshalb? Ich kann ihn genauso wenig passieren wie sie.«
»Aber ich kann. Und ich werde Hilfe holen und zu dem Spiegel bringen. Dann können wir uns besprechen und planen, wie wir dich hier herausschaffen und wann wir uns wo treffen.«
Er legte den Kopf zur Seite und musterte mich. »Eines solltest du wissen, Mädchen. Mein innerer Lügendetektor funktioniert auch hier im Unseelie-Gefängnis ganz gut.«
»Und?«
»Du hast nicht die Wahrheit gesagt.«
»Ich gehe durch den Spiegel. Wahr?«, fragte ich ungeduldig.
Er nickte.
»Ich werde Hilfe holen. Wahr?«
Wieder nickte er.
»Was hast du dann zu bemängeln, verdammt?« Ich hatte jede Menge Dinge im Kopf. Verzögerungen waren nicht hinnehmbar. Stillstand brachte mich zum Grübeln. Ich musste in Bewegung bleiben. Ich konnte es nicht ertragen, die Frau in seinen Armen anzusehen oder darüber nachzudenken, was ihr Anblick in mir wachrief.
Seine Augen wurden schmal. Wieder waren sie ganz schwarz. Zu einer anderen Zeit hätte mich das nervös gemacht, jetzt hatte ich jedoch so meine Zweifel, dass mich überhaupt noch etwas aufregen konnte. Stress und Angst lagen hinter mir.
»Sag mir, dass du vorhast, mich zu retten«, forderte er.
Das war leicht. Mit jedem Tag verstand ich Jericho besser. Die Leute stellten nicht die richtigen Fragen. Und wenn man genügend falsche beantwortet hatte, konnte man, wenn einmal eine richtige kam, schroff reagieren und den Fragenden mundtot machen. Wie oft hatte er das mit mir gemacht? Allmählich entwickelte ich widerwillig Respekt für seine Taktiken. Insbesondere jetzt, da ich etwas zu verbergen hatte.
»Ich habe vor, dich zu retten«, erwiderte ich. Selbst ich hörte die Aufrichtigkeit in meinem Tonfall. »Und ich werde das so schnell wie möglich tun. Meine höchste Priorität ist, dich hier herauszuholen.« Das stimmte. Ich brauchte ihn. Mehr als ihm jemals bewusst sein würde.
»Wahr.«
»Was ist also das Problem?«
»Ich weiß nicht. Irgendwas.« Er verlagerte das Gewicht in seinen Armen.
Die Königin trug ein schneeweißes Kleid. Ich kannte dieses Gewand. Wer hatte es für sie ausgesucht? Hatte sie selbst es gewählt? Wie und aus welchem Grund? Ich vermied es, sie anzusehen. Mein Blick zuckte von dem Gewand zu Christians Gesicht.
»Sag mir noch einmal, warum du geschrien hast«, bat er.
Er kam dem Kern der Sache für meinen Geschmack zu nahe. Aber ich beherrschte dieses Spiel. Barrons war ein guter Lehrmeister. »Ich hatte Angst.«
»Wahr. Wieso?«
»Oh, um Himmels willen, Christian – das hab ich dir doch schon gesagt! Sollen wir den ganzen Tag hier rumstehen, während du mich verhörst, oder wollen wir zusehen, dass wir rauskommen?« Draußen donnerte und tobte die Lawine. Aber das war nichts imVergleich zu dem tosenden Gebrüll, das sich in mir bildete. »Sie war nicht das, was ich erwartet hatte, okay?« Das entsprach ganz bestimmt der Wahrheit. »Obwohl du mir gesagt hast, dass sie in dem Sarg lag, hatte ich damit gerechnet, den König zu sehen.« Damit wollte ich ihn von seiner Fährte abbringen.
Meine Antwort enthielt ausreichend Wahres, um ihn zufriedenzustellen. »Wenn du mich anlügst …«, warnte er.
»Was dann?« Bis er sich überlegt hatte, was er dann tun würde, war es bereits zu spät. Außerdem war ich nicht die Person, der er allen Ernstes drohen wollte, gleichgültig, in was er sich verwandelte oder wie viel Macht er noch entwickelte. Ich hatte gerade herausgefunden, dass ich angsteinflößender und schrecklicher war als alles, was aus ihm noch werden konnte.
»Das Schlafgemach des Königs
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