Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
macht sie. Sie spielt mit uns.«
»Sie? Wer?«
Er deutete mit dem Kinn zum Sarg. »Die Königin.«
Ich blinzelte. »Was für eine Königin?« Das ergab keinen Sinn.
»Aoibheal, die Königin der Seelie.«
» Sie liegt in dem Sarg?«
»Was hast du gedacht?«
Meine Unschlüssigkeit verflog. Ich trat an den Sarkophag heran und starrte durch den Deckel.
Unter dem trüben Eis und den Runen sah ich blasse Haut, goldenes Haar und eine schlanke Gestalt.
»Wir müssen sie da herausholen, und zwar schnell«, sagte Christian, »falls sie noch lebt. Ich erkenne das nicht durch das Eis. Ich hab versucht, den Deckel abzunehmen, aber ich bekomme ihn nicht weg. Ein paar Mal dachte ich, dass er sich bewegt. Einmal hätte ich schwören können, dass sie ein Geräusch machte.«
Ich hörte ihm kaum noch zu. Warum sollte die Königin ausgerechnet hier sein? V’lane hatte gesagt, dass er sie im Reich der Feen in Sicherheit gebracht hätte.
V’lane hatte gelogen.
Welche Lügen hatte er mir sonst noch aufgetischt?
Hatte er sie hergebracht? Wenn nicht er, wer dann? Aus welchem Grund? Und warum musste ich schreien, wenn ich den Deckel beiseiteschob? Ich strich mir mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht und starrte auf den Sarg hinunter. Irgendetwas entging mir.
»Bist du ganz sicher, dass die Königin der Seelie in diesem Grab liegt?« Wieso hatte die Königin mich – die Konkubine – zu sich gerufen? Woher wusste sie, wer ich in dieser Inkarnation war? Ich sah nicht mehr aus wie die Konkubine. Es war absurd anzunehmen, dass sie mich zufällig ausgewählt hatte. Nichts von alledem war plausibel. Und mir fiel nichts ein, womit mich die Seelie-Königin so erschrecken konnte, dass ich schreien musste.
»Ja, ich bin sicher. Meine Vorfahren haben sie seit Jahrtausenden gezeichnet und gemalt. Ich würde sie überall erkennen, sogar durch eine Eisschicht.«
»Aber wieso hat sie mich gerufen? Was habe ich mit all dem zu tun?«
»Meine Onkel sagen, sie hat sich seit Jahrtausenden mit unseremClan abgegeben und uns auf den Moment ihrer größten Not vorbereitet. Onkel Cian hat sie vor vier oder fünf Jahren hinter der Balustrade in der Großen Halle gesehen. Sie beobachtete uns. Er sagte, sie sei später im Schlaf zu ihm gekommen und habe ihm gesagt, dass sie in nicht allzu ferner Zeit getötet würde und dass wir bestimmte Aufgaben erfüllen müssten, um das – und die Zerstörung der Welt, wie wir sie kennen – zu verhindern. Sie hatte vorausgesehen, dass die Mauern einstürzen, obwohl wir uns nach Kräften bemühten, sie aufrecht zu erhalten. Cian sagte, dass die Königin selbst im Traum gehetzt und schwach gewirkt hätte. Heute vermute ich, sie hat ihn irgendwie aus diesem Grab im Gefängnis erreicht. Sie hat versprochen, zurückzukommen und ihm mehr zu erzählen, hat es aber nie getan. Es scheint, als hätte sie sich auch mit deiner Familie befasst.«
Sie hatte mich benutzt. Sie hatte herausgefunden, wer ich bin, und benutzte mich – das nahm ich ihr übel. Ich wusste, dass sie die bisher letzte der vielen Nachfolgerinnen der Königin war, die sich geweigert hatte, mich – das hieß, die Konkubine – zum Feenwesen zu machen und den Wunsch des Königs zu erfüllen; sie war nicht die Hexe, die Hass und Rachsucht gesät hatte, obschon sie mit ihrer ungeheuren Macht Gutes hätte bewirken können. Aber wie konnte es überhaupt eine Seelie-Königin wagen, mich für ihre Rettung zu missbrauchen? Mich, die Konkubine! Ich hasste sie, ohne sie je gesehen zu haben.
Würde es denn nie enden? War ich bis in alle Ewigkeiten eine Figur auf ihrem Schachbrett? Würde ich immer wieder geboren oder gezwungen werden, aus dem Kelch zu trinken, um meine Erinnerungen auszulöschen, nur damit man mich wieder und wieder ausbeuten konnte?
Ich drehte mich weg. In mir stieg die Galle hoch.
»Wichtig ist, dass wir von hier wegkommen«, sagte Christian. »Den Weg, den ich gekommen bin, kann ich nicht zurückgehen. Der Spiegel, der mich ausgeworfen hat, war hoch oben in einer Felswand. Ich war vollkommen durcheinander nach dem Sturz undweiß, dass ich diesen Spiegel nie mehr finden könnte. Wo bist du hereingekommen, Mädchen?«
Ich schaute ihn an. Über das Problem, wie ich ihn hier herausbekommen sollte, hatte ich noch nicht nachgedacht. »Den Zugang, durch den ich gekommen bin, kannst du sicherlich nicht benutzen.«
»Warum nicht, zum Teufel?«
Ich fragte mich, wie viel er von der Geschichte der Feen wusste. Vielleicht waren meine
Weitere Kostenlose Bücher