Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
meiner Trauer war ich bereit gewesen, die Welt zu vernichten, um eine neue zu schaffen, in der Barrons wieder einen Platz hätte. Waren wir beide schlecht? Hatte man uns seinerzeit nicht außer Landes geschmuggelt, sondern zum Wohle der Menschheit verbannt? Hatte mir der Junge mit den verträumten Augen deshalb die WELT-Karte gegeben? Um mich zu warnen, dass ich alles zerstören würde, wenn ich nicht vorsichtig war? Dass ich mir die Karte anschauen und mich entscheiden sollte. Wer war er?
Als ich nach Dublin kam und nach und nach mehr über mich herausfand, kam ich mir vor wie eine Heldin wider Willen.
Heute hoffte ich, dass ich nicht allzu viel Schaden anrichtete. Große Probleme verlangten große Entscheidungen. Wie konnte ich meinem eigenen Urteil trauen, wenn ich nicht einmal wusste, wer ich war?
Ich kreuzte die Beine, streckte sie wieder aus und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare.
»Mann, siehst du den Film, oder machst du Gymnastik?«, maulte Dani.
Ich schaute ihr in die Augen. »Hast du Lust, etwas zu töten?«
Sie strahlte. Sie hatte einen Schokoladen-Schnurrbart. »Ich dachte schon, du würdest das nie vorschlagen.«
Die Kämpfe Rücken an Rücken mit Dani waren wertvolle Momente, an die ich mich immer gern erinnern würde.
Unwillkürlich denke ich, dass es mit Alina genauso hätte werden können, hätte sie mir vertraut und von ihren Erfahrungen in Dublin erzählt. Es ist ein tolles Gefühl, zu jemandem zu gehören, der einem den Rücken deckt, einen nie im Stich lassen und aus jedem feindlichen Lager befreien würde. Zu wissen, dass dir diese Person, egal wie schlimm die Schwierigkeiten sind, in die du dich manövriert hast, zu Hilfe kommen und bei dir bleiben wird – das ist Liebe. Ich frage mich, ob Alina und ich schwach wurden, weil wir eine Trennung zugelassen hatten. Wäre sie noch am Leben, wenn wir zusammengeblieben wären?
Ich mochte niemals erfahren, wo meine Wurzeln waren, aber ich konnte mir meine Familie selbst zusammensuchen, und Dani gehörte auf jeden Fall dazu. Jack und Rainey würden sie in ihr Herz schließen, wenn sie sie endlich kennenlernten.
Wir fegten durch die regennassen Straßen und töteten Unseelie. Mit jedem erlegten Opfer wuchs meine Überzeugung, dass ich nicht der Unseelie-König war. Ich hätte etwas empfunden, wenn es so wäre: Bedauern, Schuld, irgendetwas. Der König war nicht bereit gewesen, seine »Schattenkinder« aufzugeben. Ich verspürte weder Stolz auf meine Geschöpfe noch fehlgeleitete Liebe für sie. Ich fühlte gar nichts, außer Befriedigung, wenn ich ihr unsterbliches, parasitäres Dasein beendete und dadurch Menschenleben rettete.
Wir trafen Jayne und seine Männer und halfen ihnen aus einer Klemme. Wir sahen, wie Lor und Fade durch die Stadt streiften. Und ich glaubte, einen Keltar auf einem Hausdach entdeckt zuhaben, aber er verschwand so schnell, dass mir nur der Eindruck von glatten, tätowierten Muskeln in der Dunkelheit blieb.
Kurz vor Tagesanbruch waren wir dem Chester’s ein bisschen zu nahe, und ich beschloss, für heute Schluss zu machen. Endlich war ich müde genug, um schlafen zu können, und ich wollte fit bei der Suche nach dem Sinsar Dubh sein.
Am Abend würde alles enden. Heute würden wir das Buch für immer versiegeln und festsetzen. Danach würde ich die Teile meines Lebens aufsammeln und es neu aufbauen, angefangen bei Mom und Dad. Ich würde weiterhin nach Alinas Mörder suchen und Nachforschungen über meine Herkunft anstellen, aber sobald das Buch dingfest gemacht war, konnte ich endlich ein wenig durchatmen und mir mehr Zeit für mich, für das Leben … für die Liebe nehmen.
»Gehen wir zurück in den Buchladen, Dani.«
Ein erstickter Laut war die Antwort.
Ich wirbelte herum und atmete scharf ein. Ohne nachzudenken, hatte ich mich auf sie gestürzt und mit der Handfläche berührt, um sie erstarren zu lassen.
Und die Graue Frau war tatsächlich erstarrt – aber zu spät.
Ich war wie vom Donner gerührt. Während ich in meine eigenen Gedanken vertieft war, hatte sich die mit Wunden und Geschwüren übersäte, Schönheit verschlingende Graue Frau hinter meinem Rücken über Dani hergemacht und angefangen, sie auszusaugen. Und ich hatte nichts gemerkt!
Alles, was ich denken konnte, war: Aber das ist nicht ihr Beuteschema – die Graue Frau verschlingt Männer!
Dani versuchte, sie abzuschütteln – erfolglos. »Mann, wie schlecht bin ich eigentlich?«
Ich sah sie an und wäre beinahe ausgeflippt.
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