Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
Schlecht? Ich schnappte nach Luft. Das konnte nicht sein. Ich durfte Dani nicht verlieren. Etwas Wildes, Dunkles regte sich in mir.
»Mann, zieh sie weg von mir«, schrie Dani.
Ich versuchte es, aber es gelang mir nicht. Dani strengte sich auch an, aber die Hände der Grauen Frau hielten sie wieSchraubstöcke fest. Ich schlug immer wieder mit den Handflächen auf sie ein, um sie unbeweglich zu halten, damit ich mir überlegen konnte, was zu tun war. Immer wieder schielte ich zu Dani. Das, was von ihren Haaren noch übrig war, leuchtete nicht mehr kastanienrot. Große kahle Stellen und Wunden zeichneten ihren Schädel. Ihre Augen lagen tief in einem blutleeren Gesicht. Sie war übersät mit Geschwüren und sah aus, als hätte sie zwanzig Kilo weniger.
»Ich hätt’s wissen müssen«, jammerte Dani. »Sie hängt hier rum. Sie mag das Chester’s. Ich hab sie gejagt. Schätze, sie weiß das. Au!« Sie berührte ihren Mund.
Ihre Lippen waren aufgesprungen und nässten. Es hatte den Anschein, als ob ihr gleich die Zähne ausfielen.
Tränen brannten in meinen Augen. Ich schlug mit den Handflächen auf die Graue Frau ein. »Lass sie los, geh weg von ihr!«, brüllte ich.
»Zu spät, Mac. Oder? Ich seh’s in deinen Augen.«
»Es ist nie zu spät.« Ich zog meinen Speer und drückte ihn an die Kehle der Grauen Frau. »Tu, was ich sage, Dani. Beweg dich nicht. Lass mich das machen. Ich befreie sie aus der Erstarrung.«
»Dann wird sie mich vollends verschlingen!«
»Nein, das wird sie nicht. Vertrau mir, halt durch.« Ich schloss die Augen und öffnete mein Bewusstsein. Ich stand an dem schwarzen Strand und schaute auf das dunkle Wasser. Tief unten regte sich etwas, flüsterte voller Zuneigung einen Willkommensgruß. Hab dich vermisst , sagte er. Nimm dies, mehr brauchst du nicht. Aber komm bald zurück, es gibt noch viel mehr. Das wusste ich. Ich fühlte es. Der See war wie die verschlossene Schatulle, in der ich Gedanken aufhob, mit denen ich nicht fertig wurde. Es gab Ketten zu lösen und einen Deckel, den man anheben musste. Die Runen erhoben sich aus Rissen im Wasser. Eines Tages würde ich den Dunklen Ort der Macht öffnen und in die Tiefe schauen müssen. Ich schöpfte die roten Runen aus dem Wasser. Dann riss ich die Augen auf und drückte eine Rune in die schwärende Wange der Grauen Frau, eine andere in ihre zerfressene Brust.
Und ich wartete.
In dem Moment, in dem sich ihre Erstarrung löste, versuchte sie, sich mit einem raschen Ortswechsel aus dem Staub zu machen, aber die Runen hielten sie davon ab, wie es mein dunkler See versprochen hatte. Je mehr sie sich wehrte, desto heller pulsierten die Runen. Ich realisierte, dass dies der Bestandteil des Schöpfungsliedes war, von dem Barrons gesprochen hatte – der Bestandteil, der den Gefängnismauern zusätzliche Stärke verliehen hatte. Je mehr mächtige Feenwesen versucht hatten auszubrechen, desto widerstandsfähiger wurden die Mauern.
Sie sprang weg von Dani und fingerte schreiend an den Runen herum, um sie abzureißen. Sie schienen zu brennen. Gut.
Dani flatterte zu Boden wie ein Stück Papier, dünn, weiß und verkrumpelt.
Ich versetzte der Grauen Frau mächtige Tritte. Immer und immer wieder. »Gib ihr ihre Gesundheit zurück.«
Die Frau drehte sich zu mir und zischte.
Ich hob eine Faust und schleuderte eine dritte blutende Rune auf sie.
Sie kreischte, fiel und rollte sich zusammen.
»Ich sagte – gib ihr ihre Gesundheit zurück!«
»Das ist unmöglich.«
»Ich glaube dir nicht. Du hast sie ausgesaugt. Du kannst sie ihr wiedergeben. Und wenn nicht, werde ich dich in deiner eigenen eitrigen Haut gefangen halten und dich bis in alle Ewigkeit foltern. Du denkst, du bist jetzt hungrig? Du hast keine Ahnung, was Hunger ist. Ich werde dir Schmerzen zeigen. Ich sperre dich in eine Kiste und mache es zu meiner persönlichen Lebensaufgabe, dich …«
Mit einem wütenden, gequälten Knurren robbte sie zu Dani und drückte ihr die nässenden Hände ans Gesicht. »Und du lässt mich gehen!« Blut spritzte von ihren Lippen.
»Was?«
»Du wirst mich nicht töten, wenn ich das mache. Wir beide werden – wie sagt man? – Kumpel und entspannt miteinander umgehen. Du bist mir das schuldig.«
»Ich schenke dir dein Leben. Mehr bekommst du nicht.«
»Ich kann ihr das ihre nehmen, bevor du mich tötest.«
»Hört auf mit dem Theater«, heulte Dani. »Mach die Hexe kalt. Du schuldest ihr gar nichts, Mac!«
Etwas störte mich. Das Ganze fühlte
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