Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
klar«, murre ich. Ich rücke den Rucksack zurecht und klopfe mir den Staub aus den Klamotten.
»Möchtest du das nicht wissen? Bist du Mensch oder ein Stein?«, stichelt er. »Wenn ich sie trage und der Spiegel dich trotzdem mit solcher Wucht ausspuckt, haben wir die Antwort.«
Ich bin kein Stein. »Sag mir einfach, durch welchen Spiegel ich nach Dublin komme.«
»Durch den vierten von links.«
Ich trete durch, vorsichtig diesmal, weil ich keine Lust habe, noch einmal auf der Nase zu landen. Dieser Spiegel ist merkwürdig. Er bringt mich in einen langen Tunnel, wo ich mich durch eine Ziegelmauer nach der anderen bewege. Es ist, als hätte er Tabh’rs hintereinander gestapelt. In Christians Wüste war der Spiegel in einem Kaktus verborgen, diese hier sind in Ziegelwände eingelassen.
Aber wo?
Durch den nächsten Spiegel erhasche ich verschwommene Blicke auf eine Straße bei Nacht; eine kalte Brise erfasst mich und fegt mich über eine mit Kopfsteinen gepflasterte Gasse gegen eine solide Mauer.
Ich kenne meine Stadt wie meine Westentasche. Wir sind in Dublin. Ich drücke mich mit ausgebreiteten Armen an die Mauer, um nicht umzufallen. Ich habe heute schon zu oft auf der Nase gelegen.
Meine Beine mögen ein bisschen wacklig sein, aber wenigstens stehe ich aufrecht, als meine Sidhe -Seher-Sinne wieder voll einsetzen. Es ist, als würden sie aus einem langen, unfreiwilligen, von den Spiegeln erzwungenen Schlaf herausgerissen. Fremde Energie strömt in mein Gehirn: In der Stadt wimmelt es vor Feen.
Feenobjekte und Feenwesen haben mir früher Übelkeit bereitet, doch die ständige Anwesenheit hat mich verändert – sie lähmt mich nicht mehr. Jetzt bekomme ich einen dunklen intensiven Adrenalinschub. Ich bin schon vom Hungern und Schlafentzug zittrig genug. Mir ist egal, wo die Unseelie sind, und ich habe nicht vor, sofort mit der Suche nach dem Buch zu beginnen. Ich schließe die Augen und konzentriere mich darauf, »die Lautstärke herunterzudrehen«, also die Sinne so weit zu dämpfen, dass alles still wird.
Darroc schlingt die Arme um mich, zieht mich an sich und hält mich. Für einen Moment vergesse ich, wer ich bin, was ich fühle, was ich verloren habe – ich nehme nur noch die starken Arme, die mich stützen, zur Kenntnis.
Ich rieche Dublin.
Ein Mann umarmt mich.
Er dreht mich und legt den Kopf an meinen, als wollte er mir Schutz bieten, und für einen Augenblick mache ich mir vor, er wäre Barrons.
Er drückt die Lippen an mein Ohr. »Du hast gesagt, wir sind Freunde, MacKayla«, raunt er, »aber ich sehe das nicht in deinen Augen. Wenn du dich in meine Hände begibst, vollkommen, dann werde ich dich nie in meiner Obhut sterben lassen. Ich weiß, du bist ärgerlich wegen deiner Schwester, aber gemeinsam könnten wir das ändern … oder auch nicht, ganz wie du willst. Ich weiß, du hängst an deiner Welt, aber könntest du dir nicht vorstellen, in meiner zu leben? Du bist nicht wie andere Menschen – noch weniger als Alina. Du gehörst nicht hierher. Das hast du nie getan. Du bist für Größeres geschaffen.« Seine tiefe Stimme säuselt verführerisch. »Fühlst du es nicht? Hast du es nicht immer gespürt? Du bist … größer als deine Artgenossen. Mach die Augen auf. Sieh dich um. Sind es diese kleinlichen, sich vermehrenden, kriegslüsternen Menschen wert, dass du für sie kämpfst? Dass du für sie stirbst? Oder möchtest du lieber die Ewigkeit kosten? Ewigkeit. Die absolute Freiheit. Dich mit anderen umgeben, die auch größer als ein kleines menschliches Leben sind?«
Er legt die Hände an meinen Kopf. Seine Lippen bewegen sich an meinem Ohr. Seine Atemzüge sind rau, flach und schnell. Ich fühle seine Härte, die sich an mich drückt. Auch mein Atem wird schneller.
Ich mache mir wieder vor, er wäre Barrons, und plötzlich fühlt er sich an wie Barrons. Ich kämpfe, um einen klaren Kopf zu behalten. Bilder blitzen vor meinem geistigen Auge auf, Bilder von den langen, unglaublichen Stunden in dem mit Sex durchtränkten Bett.
Ich rieche Barrons auf meiner Haut, schmecke ihn auf meinen Lippen. Ich erinnere mich. Ich werde nie vergessen. Ich habe alles noch so frisch im Gedächtnis, dass ich schwören könnte, ich würde das rote Laken berühren, wenn ich die Hand ausstrecke.
Er liegt auf dem Bett, ein dunkler tätowierter Berg von einem Mann, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und sieht mir zu, wie ich nackt vor ihm tanze. Manfred Mann spielt einen alten
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