Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
er noch schlaftrunken ist, und ihm die Speerspitze ins Herz rammen. Und ich werde sagen: »Das ist für Alina und Jericho.«
Meine Faust hält die Schluchzer nicht mehr zurück.
Sie sickern wie sanftes Stöhnen durch die Finger. Ich verliere mich im Schmerz. Erinnerungsfetzen brechen über mich herein: Alina, wie sie an dem Tag, an dem sie nach Dublin aufbricht, am Gate steht und zum Abschied winkt. Mom und Dad, die an Stühle gefesselt und geknebelt sind und auf Rettung warten, die nie kommt. Jericho Barrons tot auf der Erde.
Jeder Muskel in meinem Körper verkrampft sich, und ich kann kaum atmen. Meine Brust fühlt sich heiß und eng an. Sie zerbirst fast unter einer Tonnenlast.
Ich strenge mich an, die Schluchzer zu unterdrücken. Wenn ich den Mund öffne, um Luft zu holen, entweichen sie, und ich stehe vor einer hoffnungslosen Entscheidung: Atmen und schluchzen? Oder nicht schluchzen und ersticken?
Mein Sehvermögen wird trüb. Sollte ich das Bewusstsein wegen Sauerstoffmangels verlieren, wird mindestens ein lauter Schrei aus mir herausbrechen.
Steht Darroc an meiner Tür und lauscht?
Ich beschwöre eine Erinnerung herauf, um den Schmerz zu verbannen.
Als ich mich vom Pri-ya -Zustand erholte, stellte ich entsetzt fest, dass ich mich haargenau an alles erinnerte, was Barrons und ich in dem großen Bett gemeinsam getrieben haben, obwohl die Zeit mit den Prinzen und hinterher in der Abtei vollkommen im Nebel lag.
Jetzt bin ich dankbar dafür.
Ich kann diese Erinnerungen nutzen, um mich vom Schreien abzuhalten.
Du verlässt mich, Regenbogen-Mädchen.
Nein – das ist die falsche.
Ich spule schnell zurück.
Da. Das erste Mal, als er zu mir kam, mich berührte, in mir war. Ich übergebe mich vollkommen der Erinnerung an dieses Liebesspiel.
Irgendwann bin ich fähig, meine Faust aus dem Mund zu nehmen. Die Anspannung in meinem Körper lässt nach.
Von innen gewärmt durch die Vergangenheit, zittert mein Körper auf dem kalten Marmorboden.
Alina ist kalt. Barrons ist kalt.
Ich sollte auch kalt sein.
Als ich endlich einschlafe, schleicht sich die Kälte in meine Träume. Ich suche mir einen Weg durch zerklüftete Schluchten, die sich tief in Felsen aus schwarzem Eis gegraben haben.
Ich kenne diesen Ort. Die Wege, die ich einschlage, kommen mir vertraut vor, als wäre ich sie schon hundertmal gegangen. Kreaturen beobachten mich aus in die gefrorenen Felsen geschlagenen Höhlen.
Ich erhasche Blicke auf die wunderschöne traurige Frau, die ein Stück vor mir barfuß über den Schnee rutscht. Sie ruft nach mir. Aber sobald sie den Mund öffnet, raubt ihr der Wind die Worte. Du musst … schnappe ich auf, ehe eine Bö den Rest des Satzes wegfegt.
Ich kann nicht …, schreit sie.
Beeil dich! , ermahnt sie mich mit einem Blick über die Schulter.
Ich laufe ihr in meinen Träumen nach, versuche zu verstehen, was sie sagt. Dann strecke ich die Hand aus, um sie festzuhalten.
Plötzlich stolpert sie am Rand eines Abgrunds, verliert das Gleichgewicht und ist weg.
Ich starre entsetzt auf die Stelle, an der sie kurz zuvor noch gewesen war.
Der Verlust ist unerträglich – ich fühle mich, als wäre ich selbst gestorben.
Ich schrecke aus dem Schlaf und schnelle keuchend hoch.
Noch während ich mich bemühe, den Traum zu verdauen, beginnt mein Körper zu zucken und sich zu bewegen wie ein vorprogrammierter Roboter.
Ich beobachte erschrocken, wie mich meine Beine zwingen, aufzustehen und das Bad zu verlassen. Meine Füße tragen mich quer durch das Zimmer; meine Hände öffnen die Balkontür. Eine unsichtbare Kraft zerrt mich in die Dunkelheit, auf die andere Seite meiner blutroten Schutzrunen.
Mir ist bewusst, dass ich nicht aus freiem Willen handle, bin aber nicht imstande, mich zur Wehr zu setzen. Dort, wo ich stehe, bin ich absolut ungeschützt, und ich habe nicht einmal den Speer bei mir. Darroc hat ihn mir weggenommen, bevor mich die Prinzen weggebracht haben.
Ich richte den Blick auf die dunklen Umrisse der Hausdächer und warte voller Angst auf den nächsten Befehl. Mir ist klar, dass ich mich auch diesmal nicht widersetzen könnte.
Ich bin eine Marionette. Jemand zieht an meinen Fäden.
Als ob die unbekannte Macht meine Erkenntnis bestätigen wolle – vielleicht macht sie sich aber auch nur lustig über mich –, zucken meine Arme in die Höhe und fuchteln wild in der Luft herum, bevor sie wieder schlaff herunterfallen.
Meine Füße tanzen einen fröhlichen Twostepp. Ich wünschte, ich
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