Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
ist. Einmal mehr bin ich gezwungen, mir den Singsang, der mich schier in den Wahnsinn treibt, hilflos anzuhören.
Als der Unseelie-Prinz aufhört zu reden, mustert mich V’lane leicht erstaunt. Vorsichtig nehme ich die Hände von den Ohren, halte sie aber bereit, für den Fall, dass sich der Unseelie-Prinz entscheidet, noch einmal das Wort zu ergreifen.
»Er behauptet, du hast Barrons getötet, Sidhe -Seherin. Warum?«
Mir ist nicht entgangen, dass V’lane meinen Namen meidet. Ich nehme an, seine Artgenossen würden ihn für schwach halten, wenn er ihn aussprechen würde.
»Wen kümmert’s? Er ist tot. Er steht uns nicht mehr im Weg. Das kann dir doch nur recht sein, oder?« Ich überlege hin und her, ob Darroc Barrons’ Leiche wirklich verbrannt hat. Aber danach fragen werde ich nicht.
»Und der Speer hat ihn getötet?«
Ich nicke. Ich habe zwar keine Gewissheit, aber es war am einfachsten, das zu bestätigen. Je weniger Zeit ich mich mit Gedanken an Barrons herumschlage, desto besser.
V’lane schaut von mir zu dem Prinzen neben mir. »Und nach seinem Tod hast du dir den Feind zum Freund genommen?«
»Ein Mädchen braucht Freunde.« Dieses Theaterspielen bin ich gründlich leid – ich will eigentlich nur schlafen und allein sein. »Hör mal, V’lane, die Seelie sind unsterblich, und die Unseelie sind unsterblich. Was wollt ihr tun? Eure Zeit verschwenden und die ganze Nacht aufeinander einschlagen? Soweit ich weiß, gibt es hier nur eine einzige Waffe, mit der man Feenwesen töten kann, und die habe ich.«
»Du hast sie nicht.«
»O doch«, korrigiert Darroc.
Einfach so steckt der Speer wieder in meinem Holster. Ich blitze Darroc streng an. »Wird aber auch Zeit.« Ich schätze, er findet endlich, dass die Bedrohung groß genug ist. Oder es langweilt ihn auch.
Ich schiebe die Hand unter meine Jacke und schließe meine Finger um den Griff. Ich werde ihn in meiner neuen Welt behalten, auch wenn es eine Welt ohne Feen sein wird.
»Du hast sie nicht«, wiederholt V’lane.
»Ich dachte, du könntest ihn nicht sehen oder hören.«
»Ich rieche seinen Gestank.«
Mein Speer ist weg.
Mein Speer ist wieder da.
Und wieder fort.
Ich schaue von V’lane zu Darroc. V’lane sieht in Darrocs Richtung. Und Darroc starrt die Unseelie-Prinzen streng an. Sie fechten einen stummen Streit meinetwegen und wegen meiner Waffe aus, und es macht mich wütend, dass ich keine Kontrolle habe. In einem Augenblick nimmt V’lane den Speer an sich, im nächsten gibt Darroc ihn mir zurück.
Ich schüttle den Kopf. Das kann nicht die ganze Nacht so weitergehen. Sie können ja ihre albernen Spielchen treiben. Ich habeWichtigeres zu tun – ich muss zum Beispiel genügend Schlaf bekommen, um fit für die Jagd zu sein. Ich bin gefährlich erschöpft. Ich fühle mich nicht bloß müde, sondern richtig mürbe, und mürbe Dinge können leicht brechen.
Ich will mich gerade umdrehen und gehen, als Schüsse aus einer Automatikwaffe ertönen.
Die Seelie zischen, und alle, die fähig sind, schnelle Ortswechsel zu vollziehen, verschwinden – V’lane eingeschlossen –, und nur noch ein Drittel der Seelie-Armee steht auf der Straße. Sie drehen sich knurrend zu ihren Angreifern um. Als die Kugeln sie treffen, zucken die Schwächeren zusammen und taumeln. Andere wirbeln zu uns herum und mischen sich blitzschnell unter die Unseelie, um sich in der Menge zu verstecken.
Ich höre die Stimmen von Jayne und seinen Männern, die sich miteinander verständigen, während sie nachrücken. Einen Block weiter sehe ich, wie ein Gewehr auf einem Hausdach aufblitzt. Die Scharfschützen nehmen Aufstellung.
Gut. Ich hoffe, sie erwischen heute Nacht Hunderte von Feen, schaffen sie fort und schließen sie in Eisen ein, bis Dani ihre Runde macht.
Aber ich habe nicht vor, in dieser verkorksten Realität den Schüssen meiner Freunde zu erliegen. Auf mich wartet eine ganz neue Welt.
Ich wende mich an den Unseelie-Prinz, um ihn anzuweisen, dass er mich von hier wegbringen soll. Mein Feind, meine Rettung.
Darroc bellt einen harschen Befehl.
Die Hände des Prinzen legen sich auf mich, und er bringt mich weg, noch ehe ich ein Wort herausbekomme.
DIE ZEIT IST DER EINZIGE WAHRE GOTT. UND ICH BIN EWIG. DAHER BIN ICH GOTT.
Deine Logik lässt zu wünschen übrig. Die Zeit ist nicht ewig. Sie ist immer. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Es gab eine Zeit, in der du noch nicht existiert hast, daher bist du nicht Gott.
ICH ERSCHAFFE. ICH ZERSTÖRE.
Und
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