Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
anzuhören, bis ich fürchtete, den Verstand zu verlieren.
Ich schließe die Augen, aber das Bild meiner Schwester ist in die Innenseiten meiner Lider eingebrannt. Und neben ihr stehen Mom und Dad. Ich habe mir eingeredet, es sei mir egal, was ihnen in dieser Realität passiert, weil ich eine neue erschaffen werde, aber die Wahrheit ist, dass ich mich in jeder Realität um sie sorge. Das habe ich nur für eine Weile ausgeblendet.
Ich werde Darroc nicht fragen, was mit meinen Eltern geschehen ist, nachdem ich in die Hall of All Days geschwemmt wurde, und freiwillig bietet er mir keine Informationen an.
Und ich wüsste nicht, was ich tue, wenn er mir eröffnen würde, dass sie tot sind.
Ich nehme an, das ist auch eine seiner Prüfungen. Ich werde sie bestehen.
Das ist mein Mädchen , ermutigt mich Daddy in meinem Geist. Kopf hoch. Du kannst es. Ich glaube an dich, Baby. Sis-boom-bah! , sagt er lächelnd. Obwohl er eigentlich dagegen war, dass ich mich den Cheerleadern anschließe, hat er mir zugeredet, es auszuprobieren. Und als ich meinen ersten Auftritt hatte, bat er einen seiner Klienten, einen Zuckerbäcker, mir eine Torte in der Form von zwei pinkfarbenen Pompons zu backen.
Ich krümme mich, als hätte mir jemand in die Magengrube geschlagen, und ich würge an dem Schluchzer, der keinen Laut verursacht, weil ich ihn in der letzten Sekunde zurückdränge.
Darroc ist mit den Prinzen da draußen, und ich wage es nicht, meine Trauer zu verraten, ja nicht einmal einen Ton von mir zu geben, den sie hören könnten.
Daddy war mein größter Fan. Er hat mich mit Weisheiten überschüttet, die ich mir selten anhörte und die ich nie verstand. Ich hätte mir die Zeit nehmen sollen, darüber nachzudenken, mich mehr darauf konzentrieren müssen, wer ich in meinem Inneren bin, statt mich so viel um mein Äußeres zu kümmern. Späte Einsicht.
Tränen laufen mir übers Gesicht. Als ich mich vom Spiegel wegdrehe, bekomme ich weiche Knie und sinke wie ein Häufchen Elend auf den Boden im Badezimmer. Ich rolle mich zusammen und weine leise.
Ich habe den Kummer, solange ich konnte, in Schach gehalten, doch jetzt bricht er über mich herein und ertränkt mich schier. Alina. Barrons. Mom und Dad auch? Ich kann es nicht ertragen. Es ist unmöglich, all das in mir zu verschließen.
Ich stopfe mir eine Faust in den Mund, um die Schreie zu ersticken.
Niemand darf mich hören. Sonst würde Darroc sofort wissen, dass ich nicht bin, was ich zu sein vorgebe. Was ich sein muss , um die Welt in Ordnung zu bringen.
Da saß ich mit ihm auf der Couch und betrachtete meine Schwester auf all den Fotos. Und ich musste daran denken, dass sie auf all unseren gemeinsamen Kinderfotos den Arm um mich gelegt hatte, um mich zu schützen und auf mich aufzupassen.
Auf den Bildern, die Darroc mir zeigte, wirkte sie glücklich. Sie tanzte. Unterhielt sich mit Freunden. Sah sich Sehenswürdigkeiten an. Er hat viele Alben aus Alinas Apartment mitgenommen und uns kaum Bilder überlassen. Als würden ihm die wenigen Monate, die er mit ihr verbracht hat, mehr Recht auf ihre Habseligkeiten geben als mir , die Alina ein ganzes Leben lang geliebt hat.
In seinem Beisein war ich nicht imstande, mit dem Finger über ihr Gesicht zu streichen, weil ich ihm meine Gefühle, meine Schwäche nicht zeigen wollte. Ich musste all meine Aufmerksamkeit auf ihn lenken. Er hat mich die ganze Zeit mit seinen glitzernden Kupferaugen fixiert und jede Regung registriert.
Mir war klar, dass es ein tödlicher Fehler wäre – und der letzte, den ich je machen würde –, den uralten, brillanten Verstand hinter diesen kalten, metallischen Augen zu unterschätzen.
Mir kam es vor, als hätte er mich jahrelang gefoltert, als er endlich müde wurde, gähnte und sich die Augen rieb.
Ich habe beinahe vergessen, dass sein Körper menschlich ist und dass auch ihm Grenzen gesetzt sind.
Der Verzehr von Unseelie mildert nicht das Schlafbedürfnis. Wie Koffein oder Speed putscht es einen ordentlich auf, aber wenn man zusammenbricht, dann richtig. Ich vermute, dass ist der Hauptgrund dafür, dass er nie mehr als eine Nacht an einem Ort verbringt. Im Schlaf ist er am verletzlichsten. Ich kann mir vorstellen, dass es ausgesprochen ärgerlich ist, einen menschlichen Körper zuhaben, nachdem man Jahrhunderte als Feenwesen niemals Schlaf gebraucht hat.
Ich beschließe, ihn im Schlaf zu töten. Nachdem ich mir verschafft habe, was ich will. Ich werde ihn wecken, ihn anlächeln, während
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