Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
Wand, die das Sinsar Dubh zwischen mir und meinem Arsenal errichtet hat.
Ein Haarriss ist in der Mauer zu sehen.
Keine Ahnung, wer erschrockener ist – das Sinsar Dubh oder ich.
Plötzlich wird es wütend.
Ich spüre seinen Zorn, aber es regt sich nicht darüber auf, dass ich die Mauer beschädigt habe. Die Wut richtet sich gegen etwas anderes.
Mir kommt es vor, als hätte ich persönlich seinen Unmut geweckt.
Ist es … enttäuscht von mir?
Das beunruhigt mich ungeheuer.
Mit einem Mal wird mein Kopf nach vorn gedrückt. Jemand steht unter dem Balkon – eine dunkle Gestalt im weißen Schnee mit einem Buch unter dem Arm.
Die Person legt den Kopf in den Nacken und schaut zu mir herauf.
Ich unterdrücke einen Schrei.
Ich erkenne die Gestalt in dem Kapuzenumhang, der in der leichten Brise weht, an ihrem Haar.
Allerdings kommt mir ansonsten nichts bekannt vor – falls das wirklich Fiona, Barrons’ frühere Geschäftsführerin und Derek O’Bannions Geliebte sein sollte, ist sie bei lebendigem Leib gehäutet worden. Das Grausige daran ist, dass O’Bannion ihr beigebracht hat, Unseelie-Fleisch zu essen, und sie deshalb nicht sterben kann.
Instinktiv fasse ich nachmeinem Speer. Natürlich ist er nicht an seinem Platz.
»Gnade!«, schreit Fiona. Ihre hautlosen Lippen entblößen blutige Zähne.
Und ich überlege, ob ich noch zu Gnade fähig bin. Habe ich nach meinem Speer gegriffen, weil ich Mitleid mit ihr habe? Oder weil ich sie dafür hasse, dass sie Barrons vor mir gehabt hat und viel länger?
Der Zorn des Buches auf mich wächst.
Ich fühle, wie er überbrodelt und die Straßen füllt. Er ist immens, kaum zu bändigen.
Ich stehe vor einem Rätsel.
Warum hält sich das Buch so im Zaum?
Wieso zerstört es nicht alles? Ich würde das tun, wenn es lange genug stillhalten und mir erlauben würde, es zu benutzen. Dann könnte ich alles so, wie ich es will, neu erschaffen.
Plötzlich verwandelt es sich in die Bestie und hebt sich um eine Nuance schwärzer von der Dunkelheit der Nacht ab. Brüllend schwillt es an und wächst, bis es auf Augenhöhe mit mir ist. Es hängt in der Luft und wechselt zwischen seiner eigenen grässlichen Erscheinung und dem fleischigen Gesicht von Fiona hin und her. Ich kneife die Augen zu.
Als ich sie wieder öffne, bin ich allein.
12
V erdammte, bescheuerte Wichser!« Ich kicke eine Dose über die Straße. Sie zischt durch die Luft, prallt so heftig gegen eine Mauer, dass sie platt und in die Ziegel gedrückt wird.
Und – Mann – ich meine wirklich in die Ziegel. Ein paar Zentimeter tief. Ich kichere, weil ich weiß, dass eines Tages jemand daran vorbeigehen und sich fragen wird: Menschenskind, wie, um alles in der Welt, hat man diese Dose in die Mauer eingelassen?
Wieder eines von Mega O’Malleys Mysterien. Die Stadt ist voll davon.
Ich hinterlasse meine Spuren in ganz Dublin. Das ist meine Art kundzutun:» Ich war hier!« Ich markiere meine Wirkungsstätten seit Jahren – seit mich Ro zum ersten Mal losgeschickt hat, damit ich Botengänge für sie erledige. Früher habe ich mich mit Kleinigkeiten zufriedengegeben und zum Beispiel die Metallskulpturen vor dem Museum ein klein wenig verbogen, so dass nur ich davon wusste und es niemandem sonst auffiel. Aber seit die Mauern eingestürzt sind, spielt das alles keine Rolle mehr. Ich haue Gegenstände in Ziegel und Steine, arrangiere den Schutt auf der Straße zu dem Wort MEGA oder verdrehe Laternenpfosten so, dass sie aussehen wie D für Dani.
Meine Schritte werden großspuriger.
Superstark – das bin ich.
Mit grimmiger Miene murmle ich noch einmal: »Verdammte, bescheuerte Wichser!«
Die Hormone haben mich im Griff. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Meine Stimmungen wechseln so schnell wie meine Füße fliegen. In einer Minute kann ich es kaum erwarten, endlich erwachsen zu werden und Sex zu haben, in der anderen hasse ich Erwachsene und vor allem Männer. Und – Mann – ist Sperma nicht das Ekligste auf der Welt? Igitt, wer will schon, dass ein Kerl einem diesen Rotz in den Mund spritzt?
Ich bin seit ein paar Tagen allein, und es ist suuuper. Kein Mensch schreibt mir vor, was ich tun oder lassen muss. Niemand schickt mich ins Bett oder sagt mir, was ich denken soll. Es gibt nur noch mich und meinen Schatten – und wir sind ein echt cooles Pärchen. Wer würde nicht liebend gern mit mir tauschen?
Trotzdem … ich mache mir Sorgen um die Schafe in der Abtei.
Verdammt, nein, das tue ich
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